© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/11 08. Juli 2011

Kampf gegen die multikulturelle Gesellschaft
Niederlande: Radikale Pläne zur Neuausrichtung der Einwanderungspolitik / Schächtverbot bringt Geert Wilders in Bedrängnis
Mina Buts

In den Niederlanden hat mit der rechtskonservativen Regierung aus der rechstliberalen VVD und den Christdemokraten (CDA), die von der islamfeindlichen Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders geduldet wird, tatsächlich eine neue Einwanderungspolitik begonnen. Ein Burkaverbot, das Anfang 2013 in Kraft treten wird, ist bereits erlassen worden.

Nun hat Innenminister Piet Hein Donner (CDA) in einem Brief an das Parlament deutlich gemacht, wie er sich die weitere Umsetzung des Koalitionsvertrags vorstellt. Künftig soll es nicht länger der niederländischen Gesellschaft aufgebürdet werden, Ausländer zu integrieren. Nach seinen Vorstellungen ist es an den Einwanderern selbst, sich um Sprache, Bildung und Arbeit zu bemühen.

Wem dies nicht innerhalb von drei Jahren gelingt, dem soll die Aufenthaltserlaubnis wieder entzogen werden. Diese radikale Neuausrichtung der Integrationspolitik sei unbedingt notwendig, um zu verhindern, daß die Gesellschaft weiter auseinanderdrifte. Aus der multikulturellen Gesellschaft müsse wieder eine niederländische werden.

Um künftig keine Einwanderergruppen mehr zu bevorrechten, sollen auch alle finanziellen Zuwendungen an marokkanische und türkische Institutionen – diese werden als eher integrationsresistent gesehen -– in den Niederlanden gestrichen werden. Genausowenig soll bei der Bekämpfung der Kriminalität Rücksicht auf die Herkunft der Täter genommen werden. Die Resonanz auf den Donner-Brief ist enorm: Mehr als drei Viertel aller Niederländer begrüßen nach einer aktuellen Umfrage des renommierten Meinungsforschungsinstituts de Hondt die Umsetzung einer solch radikalen Einwanderungspolitik.

Erheblich umstrittener ist dagegen das Schächtverbot, wonach Tiere nur noch dann unbetäubt getötet werden dürfen, wenn sie nicht mehr leiden als bei herkömmlicher Schlachtung. Zwar stimmten in der vergangenen Woche mehr als 80 Prozent der Abgeordneten dem Gesetzesvorhaben zu – von der Tierschutzpartei mit ihrer Vorsitzenden Marianne Thieme wurde dieser Erfolg als „enormer Meilenstein“ gefeiert.

Doch von den Medien wurde aufmerksam registriert, daß sich das Parlament – entgegen sonstigen Gepflogenheiten – diesmal über die Bitte der Christdemokraten und der beiden radikal-christlichen Parteien SGP und Christenunie, die Abstimmung doch zu vertagen, hinweggesetzt hat. Alle drei fürchteten nämlich um die Religionsfreiheit. Einhellig beantworteten die Medien dann auch die Frage, ob dem Tierschutz Vorrang vor der freien Religionsausübung zu geben sei: „Unnötige Symbolpolitik“ sei hier betrieben worden. Das konservative Wochenblatt Elsevier urteilt sogar, das Schächtverbot sei „Symbolgesetzgebung, bei der die Gläubigen auf dem Altar der Demokratie geopfert“ würden. Aus den Reihen der Regierungskoalition und des Bündnispartners PVV gab es nur vier Gegenstimmen. Dem Abweichler von der PVV, Wim Kortenoeven, bekennender Freund Israels, ist dabei offenkundig von der eigenen Partei ein Maulkorb erteilt worden.

Und in der Tat zeigt das Schächtverbot die Crux, in der sich Geert Wilders Partei für die Freiheit befindet: Als islamfeindliche Partei muß sie gegen das „Halal“-Schächten eintreten. Gleichzeitig aber gelten Wilders und eine großer Teil seiner von ihm ausgewählten Mandatsträger als bedingungslose Freunde Israels. Doch auch nach jüdischem Ritus ist nur geschächtetes, nämlich „koscher“ geschlachtetes Fleisch genießbar. So sieht sich der israeltreue Geert Wilders jetzt tatsächlich erstmals dem Vorwurf ausgesetzt, er gehe gefühllos mit dem Judentum und der jüdischen Tradition um.

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