© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/11 15. Juli 2011

Energiewende
Grüne Exorzisten
Wolfgang Ockenfels

Der Himmel des Glaubens scheint leer, die Hölle wie ausgebrannt zu sein. Wann hat man zuletzt eine Predigt über den Himmel gehört? Und wer über Hölle und Teufel predigt, also über die Möglichkeit, das ewige Heil zu verfehlen, gilt als Drohbotschafter und Bangemacher.

Die Verweltlichung des christlichen Glaubens schreitet munter voran. So daß es sogar einem prominenten katholischen Amtsinhaber kürzlich gefiel, die Kernenergie als „Teufelszeug“ zu bezeichnen. Wenngleich sonst der Teufel wie auch die Engel in der Glaubensverkündigung ausgespielt haben. Wer nicht an Hölle und Teufel glaubt, wird statt dessen der grünen Ersatzreligion folgen und die Kernenergie als irdisches Höllenereignis und Teufelswerk gläubig befürchten. Heidenangst nennt man das.

Aber der Teufel liegt auch hier im Detail. Es mag ja gute Gründe für eine „Energiewende“ geben. Die aber sollten mit vernünftigen Argumenten versehen sein, damit die Politik zu verantwortlichen Entscheidungen kommt. Wer in der Öffentlichkeit um Zustimmung wirbt, möge doch bitte rationale Regeln beachten, nach denen die Risiken abgeschätzt und die Übel minimiert werden. Und zwar im globalen Zusammenhang. Irrationale deutsche Sonderwege führen gewöhnlich nicht in den Himmel auf Erden.

Hierzulande wird der von Angst diktierte Atomausstieg gern als Modernisierung gepriesen, dabei aber pseudoreligiös aufgeladen – nicht nur auf protestantischen Kirchentagen. Die grünen Exorzisten waren vor allem in der CDU der Frau Merkel erfolgreich bei der Austreibung atomarer Teufel: systematische Verteufelung als Arbeitsbeschaffungsprogramm für säkulare Exorzisten und alternative Heilsbringer. Hingegen verstehen pragmatisch-rationale Briten, Amis, Franzosen, Inder und Chinesen unter Modernisierung etwas anderes. Nämlich die technische Perfektionierung und Risikominimierung auch der Kernenergie.

Inzwischen melden sich bei uns Kritiker zu Wort. Sie haben wegen der „Erderwärmung“ kalte Füße bekommen. Und sie weisen auf die enormen Kosten der Energiewende hin. Beim Geld hört nämlich der Spaß auf. Merke: Auch bei den grünsäkularisierten Frommen wird die Einsicht dämmern, daß es in der Politik nichts dogmatisch Endgültiges, nichts Unumkehrbares gibt. Auch wenn man es im Grundgesetz zementieren wollte.

 

Prof. Dr. Wolfgang Ockenfels ist Publizist und lehrt christliche Sozialethik an der Theologischen Fakultät in Trier.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen