© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/11 15. Juli 2011

Lesereinspruch
Literatur statt Bier
Claus Claussen

Zu: „Unser Platz am Gelben Meer“ von Joachim Feyerabend (JF 28/11)

Germania-Bier aus Tsingtau, nostalgische Baudenkmäler aus der einstigen Kolonialzeit des deutschen Kaiserreiches, Boxeraufstand und „Hunnenrede“ sind die bekanntesten Klischees, denkt man an die geschichtsträchtige Bucht am Gelben Meer. Was die „Spurensuche“ aber übersehen hat, ist die kulturelle Großtat eines jungen deutschen Theologen und Missionars, der 1899 nach Tsingtau kam: Richard Wilhelm, der dort nicht nur die deutsche Schule gründete, sondern zu einem chinesischen Gelehrten wurde.

Er übersetzte nicht nur Laotse, sondern erstmalig den größten Schatz der chinesischen Philosophie überhaupt, das berühmte „Buch der Wandlungen“ (I Ging). Mit dieser Arbeit erreichte er von Tsingtau und später von Berlin aus nicht nur die Anerkennung der chinesischen Gelehrten der damaligen Zeit.

Auch international gilt Richard Wilhelm als der kompetenteste Kenner des etwa 3.000 Jahre alten Werkes. Dies darf ohne Übertreibung als die wichtigste kulturelle deutsche Leistung aus Tsingtau bezeichnet werden, wenn man nicht nur an Bier interessiert ist.

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