© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/11 15. Juli 2011

„Die machen doch nur Stichproben“
Reportage: Die Aufregung über verstärkte Grenzkontrollen an der deutsch-dänischen Grenze ist der Normalität gewichen
Hinrich Rohbohm

Dänemark ein Kilometer“ steht auf dem Schild am Rande der A 7. Die Bundesgrenze naht. Hier sollen sie also gleich stehen, jene Zollbeamten aus dem Nachbarland, das seit der vergangenen Woche wieder an der Grenze kontrollieren läßt und damit einen Aufschrei auslöste.

Journalisten wie Politiker waren alarmiert: Die Kontrollen könnten zu einem „Menetekel für die Freiheit in Europa“ werden, fürchtete Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Und sein Parteifreund, der hessische Europaminister und FDP-Landeschef Jörg-Uwe Hahn forderte allen Ernstes zum Urlaubsboykott Dänemarks auf. Der Unionsfraktionsvize Andreas Schockenhoff (CDU) will durch die Kontrollen nationalistische Strömungen bedient gesehen haben. Und der Europaabgeordnete Manfred Weber (CSU) meinte, die verstärkten Zollkontrollen würden eine „Aushöhlung der Reisefreiheit“ bedeuten, bei der die EU-Kommission entschlossen einschreiten müsse. Tatsächlich hatte die EU-Kommission „schwerste Bedenken“ geäußert und kündigte eine Überprüfung der dänischen Grenzaktivitäten an, um festzustellen, ob das Schengen-Abkommen durch die Kontrollmaßnahmen verletzt werde. In den Schengen-Ländern, zu denen seit 2001 auch Dänemark gehört, sind permanente Grenzkontrollen untersagt.

Die aber plant Dänemark gar nicht. Den Skandinaviern geht es um erhöhte Zollkontrollen, um den illegalen Warenverkehr besser eindämmen zu können. Statt Polizisten kontrollieren daher Zollbeamte. Ihre Fahndungsziele sind Waffen, Schwarzarbeit oder Drogen. 50 von ihnen werden seit vergangener Woche zusätzlich für Kontrollen eingesetzt, 20 an der Grenze zu Schweden, 30 an der zu Deutschland. Bis 2014 kommen Grenzanlagen und Fahrzeug-Scanner hinzu.

Zu der Maßnahme war es auf Druck der Dänischen Volkspartei (DF) gekommen, die sich davon mehr Schutz vor Kriminellen aus Osteuropa verspricht. Die dänische Regierung gab nach, ist auf die Stimmen der Dänischen Volkspartei angewiesen, die im Gegenzug ihre Zustimmung für eine Sozialstaatsreform gegeben hatte.

Ein- bis zweimal die Woche winken die Zollbeamten nun am Grenzübergang Ellund zum nordschleswigschen Fröslee in der Nähe von Pattburg stichprobenartig Fahrzeuge an der Grenze aus dem Verkehr, um illegale Waren aufzuspüren. Dann regeln automatische Geschwindigkeitsanzeigen den Verkehr, drosseln die zulässige Höchstgeschwindigkeit von den sonst üblichen 100 auf 40 Stundenkilometer, während die Überholspur abgesperrt wird und die Zollbeamten potentiell Verdächtige zur Fahrzeugkontrolle herauswinken.

Doch das Medienspektakel ist vorbei, der Alltag ist an der deutsch-dänischen Grenze eingezogen. Und der ist weniger spektakulär. Keine Auto-Warteschlangen, keine Sperrung der Überholspur, keine automatischen Geschwindigkeitsanzeigen, kein Großaufgebot von Zollbeamten. Die Durchfahrt verläuft problemlos. Würden es die Schilder neben der Fahrbahn nicht anzeigen, hätte man den Übergang nach Dänemark glatt nicht bemerkt. Auf dem Grenzparkplatz von Fröslee steht lediglich ein Zivilfahrzeug, in dem uniformierte Zollbeamte sitzen und die Fahrbahn beobachten. „Ich habe bisher kein einziges Mal Probleme gehabt“, erzählt ein Lkw-Fahrer aus Cloppenburg, der die deutsch-dänische Grenze nahezu täglich passiert. „Anscheinend gibt’s wegen dem Sommerloch im Moment nichts anderes zu berichten“, meint er weiter und bewertet das Thema als „vollkommen überbewertet und künstlich aufgebauscht“.

Auch Touristen fühlen sich keineswegs beeinträchtigt. „Die machen doch sowieso nur Stichproben. Und wenn sie damit ein paar Kriminellen das Handwerk legen ist das doch in Ordnung, äußert sich ein Campingfahrer zu den Kontrollen. Ein schwedisches Ehepaar, das abseits der Hauptverkehrsstraßen unterwegs war und auf seiner Heimreise in Pattburg einen Zwischenstopp einlegt, hatte ebenfalls keine Probleme. „Wir haben noch nicht einmal mitbekommen, daß es diese Kontrollen jetzt gibt“, verrät die Ehefrau.

„Besser wäre es, wir würden endlich mal diese Politiker boykottieren“, kontert ein Einheimischer die Boykott-Äußerungen des FDP-Politikers Hahn. „Ihr müßt einfach mal viel entspannter werden“, meint dagegen ein dänischer Familienvater, der ein kleines Haus in dem Grenzort Fröslee bewohnt. Zur Aufregung gebe es aus seiner Sicht keinen Grund und gegen Kriminalitätsbekämpfung könne doch wohl auch Deutschland nichts einzuwenden haben.

„Wir hören hier ja schon so einiges, aber über die Grenzkontrollen hat sich bisher niemand beschwert“, meint ein Mitarbeiter eines Hotels am Autohof unmittelbar vor der deutsch-dänischen Grenze.

Foto: Journalisten beobachten Anfang Juli dänische Zöllner bei der Grenzkontrolle: Das Medienspektakel ist längst vorbei

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