© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/11 15. Juli 2011

„Botschafter des Lebens, statt Agenten des Todes“
Lebensschutz: Die Senioren-Union erweist sich auf ihrem Kongreß in Berlin als einer der letzten Rückzugsorte konservativer Positionen in der CDU
Lion Edler

Falls die Konservativen in der CDU noch Hoffnungen auf einen Kurswechsel der Partei haben sollten, dann können sie als einen der letzten Strohhalme derzeit wohl die Senioren-Union (SU) betrachten. Deren Kreisvorsitzendenkonferenz am vergangenen Wochenende in Berlin stand ganz im Zeichen konservativ-christlicher Duftmarken.

Das wurde schon beim Thema des Kongresses deutlich: Lebensschutz und Maßnahmen für eine kinder- und altenfreundliche Gesellschaft. Nach Ansicht des Bremer SU-Vorsitzenden Pastor Jens Motschmann vollziehe sich in Deutschland ein „immer deutlicher werdender Gesinnungswandel mit Blick auf die Verfügbarkeit von Leben und Tod“. Man habe sich „nicht nur in den Kirchen, auch in der CDU“ scheinbar mit der „jährlich über hunderttausendfachen Tötung des ungeborenen Lebens abgefunden“. Dabei geschähen Abtreibungen häufig nicht aufgrund von Notlagen, sondern „weil es einfach der Lebensplanung besser entspricht“. Nachdrücklich appellierte Motschmann an das Publikum: „In Gottes Namen, laßt uns Botschafter des Lebens sein und nicht Agenten des Todes!“

Die Publizistin Gabriele Kuby wetterte gegen die politisch forcierte Theorie des „Gender Mainstreaming“, nach der sich jeder Mensch aussuchen kann, ob er ein Mann, eine Frau oder ein „Transgender“ sein möchte. Zwar sei der Kampf der Frauenbewegung berechtigt gewesen, so Kuby, diese sei jedoch „umgeschlagen in einen Radikalfeminismus, der die Identität der Geschlechter auflöst“. Inzwischen gebe es in Deutschland etwa 100 Lehrstühle für „Gender-Studies“, wobei die Sprache der Gender-Ideologen an die DDR erinnere.

Der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, erinnerte daran, daß das Grundgesetz den Parteien die Aufgabe zuweist, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Laut Mißfelder ist somit der Gewinn von Wahlen nicht das erste Ziel von Parteien. Zur Willensbildung beizutragen bedeute auch, „nicht nur dem Zeitgeist zu folgen“. In diesem Sinne argumentierte auch der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU). Die Union bleibe derzeit „weit unter ihren Möglichkeiten“, beklagte er. Die Partei brauche „dringend neues wirtschaftspolitisches Profil und ein wirtschaftspolitisches Gesicht“. Außerdem sei die Gewinnung von christlichen Stammwählern „wichtiger und einfacher als neue Wähler zu bekommen“.

Für einen verbesserten Lebensschutz hatte der Bundesvorstand der rund 57.000 Mitglieder zählenden Senioren-Union wenige Tage zuvor das Manifest „Kultur des Lebens“ beschlossen. In dem Papier fordert die Vereinigung vor allem „wieder mehr Orientierung, mehr inhaltliche Führung und ein konkretes christlich geprägtes Leitbild“. Weiter heißt es, die Senioren-Union lehne „Abtreibung und damit die Tötung noch nicht geborener, wehrloser Kinder grundsätzlich ab“. Die gesetzlichen Regelungen für Spätabtreibungen gingen nicht weit genug, denn generell sei es „inhuman, ein lebensfähiges Kind zu töten, nur weil es wahrscheinlich eine Behinderung haben wird“. Außerdem wird die CDU aufgefordert, sich dafür einzusetzen, daß aktive Sterbehilfe auf europäischer Ebene verboten wird.

Vergeblich hatte sich der Bundesvorstand der Organisation für ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) ausgesprochen. Doch am Donnerstag vor dem Kongreß hatte der Bundestag die PID erlaubt. Danach dürfen Paare künftig unter bestimmten Voraussetzungen ihre durch künstliche Befruchtung erzeugten Embryonen auf Gendefekte wie etwa Erbkrankheiten testen lassen. Am Rande der Konferenz wurde allerdings deutlich, daß die Basis der Unions-Senioren keinesfalls ungeteilt hinter der ablehnenden Position ihrer Führung steht.

Zweifellos ist das Manifest für den Lebensschutz nicht zuletzt eine Anklage gegen die Oberen der Partei. So heißt es in dem Papier, wichtiger als politische Grundsätze scheine der CDU mittlerweile zu sein, „dem vermeintlichen Zeitgeist hinterherzulaufen und in allen Meinungsumfragen zu jeder Zeit vorne liegen zu müssen“. Obwohl sich etwa das CDU-Grundsatzprogramm für ein Verbot der PID ausgesprochen hatte, habe sich die Bundestagsfraktion nicht geschlossen für ein Verbot entschieden. Auch in der Frage des Lebensschutzes sei die CDU „leider nicht mehr konsequent“.

www.seniorenunion.de

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