© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/11 15. Juli 2011

Ohne Strukturreformen kommt Portugal nicht aus der Krise
Ein Schuldenerlaß hilft nicht
Philipp Bagus

Ramsch. So beurteilt Moody’s portugiesische Staatsanleihen, denn vorige Woche hat die Ratingagentur die Kreditwürdigkeit Portugals gleich um vier Stufen auf „Ba2“ heruntergestuft und den Ausblick auf „negativ“ gesetzt. Die New Yorker halten auch ein zweites „Rettungspaket“ zugunsten Lissabons für möglich.

Benötigt Portugal aber nicht besser einen Schuldenerlaß? Denn das Land ist trotz einem Vierteljahrhundert EG/EU-Mitgliedschaft weiter rückständig. Euro-Einführung, implizite Rettungsgarantie durch Deutschland und die expansive Geldpolitik der EZB brachten den Peripheriestaaten nie dagewesene Niedrigzinsen. Dank dessen lebte man über die Verhältnisse und schuf spektakuläre Blasen: Spanien bei Immobilien, in Irland kam eine Bankenblase noch obendrauf. Griechenland fütterte den überdimensionierten Staatssektor. Nur Portugal hinkte hinterher. Trotz expansiver Geldpolitik lag das portugiesische Wachstum nur bei durchschnittlich 0,7 Prozent pro Jahr. Die Niedrigzinsen ermöglichten jedoch den Erhalt rückständiger Strukturen. Dank des billigen Euro konnten schmerzhafte Reformen hinausgezögert werden.

So leidet Portugal immer noch unter Wettbewerbsbeschränkungen, Privilegien aller Art und einem inflexiblen Arbeitsmarkt. Die Staatsquote liegt bei erdrückenden 50 Prozent und läßt den Privaten kaum Luft zum Atmen. Bei der Arbeitsproduktivität liegt Portugal mit 65 Prozent des EU-Durchschnitts noch hinter dem Pleitier Griechenland.

Abgeschirmt durch den Euro und mittels Anhäufung von Schulden packte keine Lissaboner Regierung diese strukturellen und Wettbewerbs­probleme an. Auch die derzeitigen „Sparmaßnahmen“ sind zu zaghaft; zu groß ist der Widerstand in der privilegierten Bevölkerung. Anstatt den Staatseinfluß radikal zurückzufahren und die notwendigen Anpassungen zuzulassen, erhöht die portugiesische Regierung sogar noch die Steuern.

Die portugiesische Regierung müßte Staatsausgaben kürzen, Sozialleistungen einschränken, Staatseigentum privatisieren, Privilegien abbauen und Märkte liberalisieren. Dann könnte man vielleicht um einen Schuldenerlaß herumkommen. Wird das Strukturproblem jedoch nicht rigoros angegangen, hilft allerdings auch ein Schuldenerlaß nicht.

Bei einer anhaltenden Staatsquote von 50 Prozent wäre Portugal existentiell auf ausländische Hilfe angewiesen, um weiter über seine Verhältnisse leben zu können. Ohne die Transfers stünde das Land nach ein paar Jahren vor einem ähnlichen Schuldenberg. Wiederholte Schuldenerlasse kämen aber letztlich einer Transferunion gleich. Ob Portugal sich radikal vom Interventionismus abwendet, hängt auch von anderen ab. Ein Ende jeglicher Unterstützung der portugiesischen Regierung seitens der EZB, der EU oder Deutschlands würde Portugal zwingen, sich zügig zu entscheiden.

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