© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/11 22. Juli 2011

Geschlechtergerechter Coup
Österreich: Grünes Licht für Hymnenänderung / Nur FPÖ legt Veto ein
Curd-Torsten Weick

Sichtlich erhaben saß die frauenpolitische Sprecherin der konservativen ÖVP, Dorothea Schittenhelm, vor den Kameras und erklärte ihren Coup. Österreich verfüge nicht nur über große Söhne, sondern auch über große Töchter. Daher sei es nach jahrzehntelangen Diskussionen Zeit, die im Jahr 1947 offiziell eingeführte Bundeshymne „geschlechtergerecht“ zu formulieren. So alles seinen eingeschlagenen parlamentarischen Weg geht, werden dann ab 1. Januar nächsten Jahres die großen Töchter besungen. „Zeitgemäß“, so die SPÖ-Abgeordnete Gisela Wurm, soll dann der Hymnenteil „Heimat bist du großer Söhne, Volk, begnadet für das Schöne“ mit den Töchtern ergänzt werden. Wie, das ist noch nicht ganz klar. Stimmt das Versmaß? „Heimat großer Töchter und Söhne“?  „Heimat großer Töchter, Söhne“? Für die Initiatorin des Coups, Ex-Frauenministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP), ist das kein Problem. Sie präsentierte die Sopranistin Ildiko Raimondi, die vor Medienvertretern die „Heimat großer Töchter, Söhne“ intonierte. Nun soll eine CD erscheinen, um die Zweifler zu beruhigen.

Die Geschichte ist lang. Bereits im März 1994 hatten die Grünen im Parlament einen Antrag für eine geschlechtergerechte Textfassung gestellt, stießen aber auf breite Ablehnung. Ein Jahr später scheiterte das Liberale Forum. 2005 mißlang der Versuch Rauch-Kallats, eine geschlechtergerechte Bundeshymne zu installieren. War es hier vor allem Jörg Haiders Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), das den Vorschlag des Regierungspartners zurückwies, stießen die vielfältigen Änderungswünsche vor allem bei der FPÖ und den männlichen ÖVP-Abgeordneten auf wenig Gegenliebe.

Zeit für einen neuen Versuch, sagten sich die Protagonistinnen von ÖVP, SPÖ und Grünen und einigten sich nun im stillen Kämmerlein auf das weitere Vorgehen. Der Clou: Die scheidende ÖVP-Abgeordnete Rauch-Kallat sollte in ihrer Abschiedsrede vor dem Nationalrat den ausgehandelten Initiativantrag zur Text-änderung der Hymne einbringen. Die männlichen ÖVP-Abgeordneten bekamen davon Wind und verlängerten ihre Reden, so daß die Ex-Ministerin nicht mehr zu Wort kam.

Ein Pyrrhussieg auf der letzten Sitzung vor der Sommerpause. Denn wenig später signalisierte der zögerliche ÖVP-Parteichef Michael Spindelegger seine Zustimmung. Der Änderung des Textes der von der Schriftstellerin Paula von Preradovic gefertigten Hymne steht also nichts mehr im Wege.

Es ging ans „Eingemachte“, jubilierte die Grünen-Abgeordnete Judith Schwentner. Im Herbst soll der neue Text nun im Parlament beschlossen werden. Da sich auch das BZÖ einer Änderung nicht mehr verschließt (BZÖ-Chef Bucher: „Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen“), rechnen die Frauenpolitikerinnen mit einer komfortablen Zweidrittelmehrheit. Denn allein die FPÖ stemmt sich gegen „Umdichtung“ und „Gender-Klamauk“ (siehe Kommentar Seite 2). Doch das ärgert die Veränderer wenig. Schon fordern die SPÖ-Frauen in Salzburg die Änderung der Landeshymne: Aus dem „Land unsrer Väter“, soll nun das „Land unsrer Eltern“ werden.

Foto: Dorothea Schittenhelm (ÖVP; v.l.n.r.), Gisela Wurm (SPÖ), und Judith Schwentner (Grüne): Das  „Heimat großer Söhne“ in der Bundeshymne (r.) ist nicht mehr zeitgemäß. Österreich hat auch „große Töchter“

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