© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/11 22. Juli 2011

Grüße aus Rom
Von wegen Staatspleite
Paola Bernardi

Staatspleite? Bunga-Bunga-Berlusconi? Den Römern scheint es egal. Seit Wochen lastet die große Hitze auf Rom. Die Luftfeuchtigkeit beträgt 90 Prozent. Das sind „Bangkok-Temperaturen“ hört man sie fluchen. Die Polizisten tragen ihre weißen Tropenhelme, doch anstatt den geringen Verkehr zu regeln, flüchten sie sich lieber in den nahen Schatten der Palazzi. Auch der Papst weilt längst in seiner Sommerresidenz in Castelgandolfo in den nahen albanischen Bergen. Nur die Schweizer Gardisten in ihrer rot-blau-gelben Gala-Uniform mit Helm und Hellebarde bewachen die Tore  des Vatikans. Sie scheinen keine Hitze zu kennen. Sie grüßen jeden Besucher militärisch zackig; schreitet ein Bischof oder Kardinal durch das Tor wird zusätzlich die Hellebarde geschultert.

Wer es sich leisten kann, ist längst ans Meer oder in die Berge geflüchtet. Der Pulsschlag der Stadt hat sich verlangsamt. Um die Mittagszeit wirken die Straßen wie ausgestorben – ein Eldorado für Diebe, die flugs die Balkone erklimmen. Selbst die Mauern der alten Palazzi in der Innenstadt scheinen unter der Hitze zu schwitzen; es riecht feucht und modrig.

Nur die Fremden aus aller Welt, mit hochroten Gesichtern, sonnenverbrannt, mit Shorts und Netzhemden bevölkern die Stadt. Baden ungeniert ihre Füße in den Brunnen von Bernini auf der Piazza Navona. In den Metrostationen werden kostenlos Wasserflaschen verteilt, um Kollapse zu vermeiden.

Die daheimgebliebenen Bewohner verschließen sich in der kühlen Pracht ihrer römischen Wohnungen. Schon am frühen Morgen werden die schweren, samtigen Vorhänge zugezogen. Die Zimmer wirken im Halbdunkel wie dämonisiert; die Bewohner in leichten, flatternden Gewändern ähneln Lemuren, wenn sie ermattet durch die Räume wandeln.

Doch kaum wird der Himmel dunkler, und wenn sich der kühle Wind – „Ponentino“ –  am Abend erhebt und über die Stadt hinwegstreicht, erwacht Rom. Wie auf ein geheimes Kommando werden auf den Bürgersteigen und in den Gassen Tische mit Windlichtern aufgestellt. Lärm schwillt an. Ganz Rom wird zu einem gewaltigen Salon von der Via Veneto bis zur Piazza del Popolo. Überall Gelächter und große Gesten. Auf dieser nächtlichen Bühne ist jeder sein Hauptdarsteller. Dann und wann stöckelt auf steilen Absätzen eine Monica Bellucci oder eine junge Sophia Loren vorüber und genießt das Pfeifen der Menge. Staatspleite? Die paßt nicht hierher. 

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