© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/11 22. Juli 2011

Die Ohnmacht der Euro-Retter
Ratingagenturen: Die EU plant genehme Konkurrenz für Moody‘s, S&P und Fitch
Marco Meng / Jörg Fischer

Als die Ratingagentur Moody’s Portugal herabstufte und kurz darauf auch Italiens gute Schuldnerposition in Frage gestellt wurde, platzte EU-Justizkommissarin Viviane Reding endgültig der Kragen: „Europa darf sich nicht von drei US-Privatunternehmen kaputtmachen lassen“, wetterte die luxemburgische Christdemokratin in der Welt. „Entweder beschließen die G20-Staaten gemeinsam, das Kartell der drei US-Ratingagenturen zu zerschlagen“, drohte Reding, „oder aber es werden unabhängige europäische und asiatische Ratingagenturen geschaffen“. Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte zwar zurückhaltender formuliert („Wir müssen das Oligopol der Rating-Agenturen versuchen aufzubrechen.“), aber in die gleiche Kerbe geschlagen: Moody’s, Standard & Poor’s (S&P) und Fitch reden den Euro schlecht.

Und laut einem Bericht des Magazins Capital bastelt die EU wirklich an einer eigenen Ratingagentur. Als unabhängige Stiftung organisiert, solle sie „privat finanziert“ (Kosten: 300 Millionen Euro) werden und ihre Bonitätsbewertung „deutlich günstiger“ anbieten als die großen Drei. Zum Gründungskonsortium „von bis zu 25 Teilnehmern“ sollen unter anderem Finanzkonzerne wie die Deutsche Bank gehören.

Doch sind die drei Überbringer schlechter Nachrichten wirklich die Übeltäter in der Euro-Krise? Tatsache ist, daß beispielsweise portugiesische Anleihen schon seit Monaten nur noch die Rendite von Ramschanleihen bieten – die Abwertung erfolgte eher zu spät als zu früh. Auch eine „amerikanische Verschwörung“ gegen den Euro, von der Befürworter der Gemeinschaftswährung seit vorigem Jahr unken, läßt sich nur bedingt von den Ratingagenturen herleiten: Moody’s und S&P sind tatsächlich in New York ansässige US-Unternehmen. Fitch fusionierte hingegen 1997 mit der Londoner Firma IBCA und gehört seit Jahren mehrheitlich zum Firmenimperium des Milliardärs Marc Ladreit de Lacharrière – einem Geschäftsmann und Absolventen der Eliteschule ÉNA mit engsten Kontakten zu Politik und Wirtschaft in Frankreich.

Kritik an den Ratingagenturen ist dennoch angebracht, denn sie lagen oft falsch. Dabei warnten sie aber meist zu spät – und die Pleiten des US-Konzerns Enron 2001 oder des Lebensmittelkonzerns Parmalat 2003 hatten sie erst gar nicht erkannt; noch fünf Tage vor der Insolvenz bescheinigten S&P und Moody’s dem Konzern eine gute Bonität.

Zudem kommen sie nicht transparent zu ihren Wertungen und können in der Tat durch ihr Urteil einen Finanzzustand zusätzlich verschärfen. Auch im Vorfeld der Finanzkrise 2008 hatten die Agenturen US-Schrottpapiere zu gut bewertet. Bei der Bewertung des Bankensektors in Irland oder Island wurde versagt. Die Ratingagenturen tragen damit eine gehörige Mitschuld an der Krise. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum sie jetzt Euro-Schuldner so „hart“ beurteilen. Die erste Herabstufung der Bonität Griechenlands erfolgte schon 2003 – nur zwei Jahre nach dem Euro-Beitritt.

Daß die Ratingagenturen und deren Arbeit reguliert werden müßten, wurde zur Hochzeit der Finanzkrise auf diversen Gipfeltreffen verkündet, passiert ist indes kaum etwas. Kein Finanzinstitut dürfe „too big to fail“ und damit „systemrelevant“ werden, doch die Banken sind inzwischen durch Fusionen und Übernahmen noch viel größer als vor der Krise. Der oft zitierte Interessenkonflikt bei den Ratingagenturen besteht darin, daß der Emittent von Schuldpapieren selbst für die eigene Bonitätsbewertung zahlt und nicht etwa die Investoren – bei der geplanten EU-Agentur sollen daher die Investoren die Kosten des Ratings tragen. Allerdings scheint dieser Interessenkonflikt im Falle der Euro-Krise nicht so groß zu sein, schließlich zahlen Griechenland und Portugal nicht für schlechte Bewertungen. „Unsere Aufgabe ist es, eine Meinung dazu abzugeben, ob die zukünftige Zahlungsfähigkeit gegeben ist oder nicht“, meint S&P-Deutschlandchef Torsten Hinrichs.

Was würde es bringen, wenn eine EU-Ratingagentur den Ausblick für Portugal von „negativ“ auf „positiv“ setzte? Das Land ist im Frühjahr unter den Euro-Rettungsschirm geschlüpft, bekommt 78 Milliarden Euro über drei Jahre von den Euro-Partnern und dem IWF geliehen. Den Ratingagenturen ist eher der Vorwurf zu machen, daß sie nicht rechtzeitig vor einer Überschuldung Portugals gewarnt haben. Dann hätte es – wegen des dann gestiegenen Zinsniveaus – den Schuldenexzeß in der EU-Peripherie wohl nicht gegeben.

Zudem gibt es längst mehrere EU-Ratingagenturen. So ist die Creditreform Rating AG seit Juni als Ratingagentur von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) anerkannt. Moody’s und S&P haben unterdessen auch Zweifel an der Bonität der USA geäußert, da dort der Kongreß über die gesetzliche Schuldengrenze von 14,3 Billionen Dollar streitet (JF 27/11). Feri Euro Rating Services, eine seit 20 Jahren tätige Agentur aus Bad Homburg, hat schon im Juni gehandelt und die USA als erste Ratingagentur von der Bestwertung „AAA“ auf „AA“ abgestuft.

Foto: Weiches EU-Rating soll US-Härte ersetzen: Sind die drei Überbringer schlechter Nachrichten wirklich die Übeltäter in der Euro-Krise?

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen