© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/11 22. Juli 2011

Rupert Murdoch unter Druck
Jetzt werden alte Rechnungen beglichen –Die Linke fürchtet seinen politischen Einfluß
Leon Aquila

Der Skandal, der Großbritannien erschüttert, jetzt auch nach Amerika überschwappt und das drittgröße Medienimperium der Welt bedroht, wurde durch einen jener berühmten Tropfen ausgelöst, der das Faß zum Überlaufen bringt. Dubiose Abhörmethoden von Rupert Murdochs Boulevardzeitung News of the World tolerierte das Publikum so lange, wie die Opfer Prominente waren, die vom Licht der Öffentlichkeit leben. Als aber herauskam, daß die Mailbox eines später ermordet aufgefundenen 13jährigen Mädchens sowie die Mobiltelefone gefallener Soldaten angezapft worden waren, war es schlagartig aus mit der Duldsamkeit. Große Anzeigenkunden sprangen reihenweise ab.

Der Medienzar, dessen Antrag zur Übernahme der übrigen 61 Prozent des britischen Sky-Fernsehkanals BSkyB kurz vor der Regierungsgenehmigung stand, zog die Reißleine und stellte den Betrieb der Sonntagszeitung für immer ein. Dann kamen Berichte über Schmiergeldzahlungen an Polizisten hinzu. Sie führten zum Beginn der Woche zum Rücktritt von Englands wichtigstem Polizisten – Paul Stephenson, dem Chef von Scotland Yard. Zuvor war Murdochs britische Geschäftsführerin, der rothaarige Tausendsassa Rebekah Brooks, vorübergehend festgenommen worden. Sie ist gegen Kaution wieder auf freiem Fuß.

Die politische Klasse, die jahrzehntelang vor Murdoch gebuckelt hat, sieht ihre Chance gekommen, sich für Intrigen und verletzte Eitelkeiten zu rächen. Auch die BBC nutzt die Gelegenheit, einen lästigen Konkurrenten zumindest zu schädigen. BSkyB hat zehn Millionen Abonnenten und stellt somit eine Bedrohung der in der Meinungsbildung und im kulturellen Diskurs auf der Insel fast monopolistisch dominierenden BBC dar.

Das durch Rundfunkgebühren finanzierte Medienunternehmen empfand die geplante vollständige Übernahme des Privatsenders durch Murdoch als ernste Herausforderung. Linke Intellektuelle, die den Wert einer monopolistischen BBC für die Verbreitung ihrer Ideen kennen und schätzen, liefen ebenfalls Sturm.

Vielfach wird behauptet, der australisch-amerikanische Zeitungskönig könne Regierungen, zumindest in England, zu Sieg oder Niederlage verhelfen. Doch ganz so mächtig ist Murdoch nicht. In den 1980er Jahren, als seine Blätter die Konservativen unterstützten, stimmte eine Mehrheit der Leser seiner Boulevard-Tageszeitung Sun für Labour, berichtet Ed West im Blog des Daily Telegraph. Nicht nur das: Im selben Zeitraum glaubte die Mehrheit dieser Leserschaft, daß ihre Zeitung pro Labour war. Natürlich tat der Medienzar nichts, um den ihm schmeichelnden Eindruck abzuschwächen, er sei eine Art Königsmacher. Hauptsächlich jedoch scheint Murdoch, immer auf der Suche nach neuen Kunden, mit der politischen Ausrichtung seiner Boulevardblätter instinktsicher immer kurz vor einem Machtwechsel der Mehrheitsstimmung im Land gefolgt zu sein: von Thatcher und Major zu Blair und Brown und dann zu Cameron. Es ist daher weniger der politische Einfluß seiner Blätter, den Politiker, Intellektuelle, andere Prominente sowie Journalisten anderer Medien fürchten. Es ist eher Murdochs Wille und Fähigkeit, Gegner, Feinde und sonstige ihm Mißieblige persönlich bloßzustellen und ihre Karrieren mit peinlichen Geschichten aus dem Privatleben zu vernichten. 

Das erklärt die Lynchmentalität, die derzeit im Parlament in London und in manchen Redaktionsstuben der nicht zu Murdochs News Corporation gehörenden Medien herrscht. Zwar wirft keiner BSkyB vor, irgendwie in den Abhörskandal oder andere unlautere Recherchemethoden verwickelt zu sein. Dennoch wurde das Unternehmen in die Kontroverse hineingezogen. Labour war die erste Partei, die den Fehdehandschuh hinwarf und die Regierung aufforderte, die Entscheidung über die BSkyB-Übernahme durch News Corporation zu vertagen. Kein Wunder, derzeit steht sie nicht in der Gunst der Murdoch-Presse und hat daher wenig zu verlieren.

Die Liberaldemokraten, derzeit in der Koalitionsregierung mit den Konservativen, zogen schnell nach. Sie haben viel bei ihren eher linksliberalen Wählern wettzumachen. Denn: Zum ersten Mal seit sechs Jahrzehnten wieder an der Regierung, brachen sie ihr wichtigstes Wahlversprechen und stimmten der Erhöhung von Studiengebühren zu. Schließlich mußten sich auch die Konservativen der Opposition anschließen.

Der Grund: Cameron ist kompromittiert, weil er als Premierminister Andy Coulson als Pressesprecher engagierte. Dieser war in einer Zeit Chefredakteur von News of the World, als viele der Abhöraktionen stattfanden. Die Kontroverse um das Ausschnüffeln von Mailboxen schwelt schon seit 2009. Cameron wußte, welches Risiko er mit Coulson übernahm.

In diesem Machtkampf um die Medien wird mit härtesten Bandagen gekämpft. Murdoch dachte sogar daran, seine restlichen Zeitungen in Großbritannien zu verkaufen, um seinen BSkyB-Deal zu retten. Inzwischen werden die Praktiken anderer Zeitungen durchleuchtet, etwa des linken Boulevardblatts Daily Mirror, der ebenfalls Handys von Prominenten anzapfte. Was bei alledem unter die Räder zu geraten droht, ist die Pressefreiheit. Selbst einige Vertreter der konservativen Partei reden bereits davon, daß die Zeitungen genauso reguliert werden müßten wie Rundfunk und Fernsehen.

Foto: Untergang: Bricht das Medienimperium von Rupert Murdoch auseinander?

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