© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/11 22. Juli 2011

Deutscher Scarface
Chiko: Der Thriller eines türkischstämmigen Regisseurs zeigt die brutale Wirklichkeit im türkisch-arabischen Drogensumpf
Michael Hofer

Als die deutsche Antwort auf Brian de Palmas „Scarface“ wurde 2008 Özgür Yildirims Debütfilm „Chiko“ von der Presse gefeiert. Die Geschichte um einen türkischen Dealer (Denis Moschitto), der sich im Hamburger Drogenhändlermilieu „hocharbeitet“ und sich mit einem gefährlichen Szeneboß (Moritz Bleibtreu) anlegt, bis er in einem Strudel von Gewalt untergeht, scheut wie sein amerikanisches Vorbild nicht vor drastischen Gewaltdarstellungen zurück: In einer Szene etwa wird eine alte Frau zu Tode geprügelt, in einer anderen einem Mann ein dicker Nagel in die Ferse geschlagen.

„Mit dem Film will ich ein Stück Realität zeigen. Und die ist nun mal roh und rauh und ungeschminkt“, rechtfertigte sich Yildirim. Glorifizierung des Milieus könne man ihm nicht vorwerfen, zeige der Film doch nicht, daß sein Protagonist „mit seiner Nummer durchkommt“. Das gelang auch dem von Al Pacino gespielten „Scarface“ Tony Montana nicht, was ihn aber auch nicht daran hinderte, zur Kultfigur zu avancieren.

Gewalt im Film hat leider noch nie abschreckend gewirkt. Mit fetziger Mucke, genresicherer Inszenierung und einem coolen Titelhelden kann auch „Chiko“ diesem Dilemma nicht entkommen. Und damit wären wir schon bei dem offensichtlichen Problem, das Yildirim in Interviews zu relativieren und entschärfen suchte: Wie schon Fatih Akins „Kurz und schmerzlos“ (1998) zeigt „Chiko“ die bunte Multikultiwelt Hamburgs von ihrer übelsten Seite, als Sumpf von Kriminalität und Straßengewalt.

Ist das unfreiwillig verräterisch oder gar bloß Zufall, daß diese Welt von „südländischen“ Ausländern dominiert wird? „Nein, auf keinen Fall“ sei dieser Umstand relevant, wehrte Yildirim ab. „Ihre Herkunft ist total austauschbar. Aber mir ist schon klar, daß da schnell die Diskussion über Migration und Integration aufkommt.“

Warum wohl? „Chiko“ ist ein gutgemachter Thriller, der bei den einen ein gewisses Geschmäckle hinterlassen wird, die anderen dagegen unfreiwillig mit prima Rollenbildern versorgt.

Chiko wird am Montag, den 25. Juli, um 22.45 Uhr in der ARD ausgestrahlt. 

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