© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/11 22. Juli 2011

Bismarcks Ideologe Droysen unter Beschuß
Geschichtstheorie des Status quo
(ob)

Gewöhnlich taugen Gedenktage nicht, um Erinnerungen über den Anlaß hinaus frisch zu halten. Das Interesse am preußischen Historiker Johann Gustav Droysen (1808–1884) scheint sich hingegen nach seinem 200. Geburtstag neu belebt zu haben. Darauf deutete schon das breite Echo auf Wilfried Nippels Droysen-Biographie hin – die indes als Denkmalsturz gedacht war (JF 28/08). Ließ er doch am geschichtstheoretischen Hauptwerk, der „Historik“, dem „Höhepunkt geschichtswissenschaftlicher Grundlagenreflexion“ (Jörn Rüsen), kaum ein gutes Haar. Daran knüpft nun Andreas Geiert an, wenn er dem Zusammenhang von „Geschichtstheorie, Politik und sittlichem Kosmos“ bei Droysen nachgeht (Historische Zeitschrift, 292-2011). Nach Geierts Lesart begründet die „Historik“ Geschichte nicht als „objektive Wissenschaft“, sondern stellt sie als Weltanschauungsfach unter den Primat der Politik. Sie sei eine Handreichung für den Historiker, der den Leser „auf das herrschende soziale System“ einstimme. Und somit keine „universal anschlußfähige Theorie“, sondern ein vom Zeitgeist infiltrierter Beitrag zur Legitimation des Bismarck-Reiches, der sich dezidiert gegen Demokratie und angelsächsischen Liberalismus wende. Insoweit ergänze der Theoretiker den Historiker Droysen, dessen  „Preußen-Legende“ ein „Instrument politischer Manipulation“ gewesen sei.  www.oldenbourg-verlag.de

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