© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/11 29. Juli / 05. August 2011

Deutschland in der Falle
Euro: Die Rettung der Einheitswährung wird immer teurer, ein Ausstieg aber auch
Bruno Bandulet

Vorigen Donnerstag wurde der Euro wieder gerettet, es wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Was die Regierungs- und Staatschefs der 17 Euro-Länder in Brüssel beschlossen haben, ist technisch kompliziert und in seiner Tragweite schwer abzuschätzen. Daß die Kredite an Griechenland, Portugal und Irland künftig niedriger verzinst und daß die Laufzeiten verlängert werden, ist noch am ehesten nachvollziehbar und verschafft den drei Schuldnern tatsächlich etwas mehr Luft, allerdings ohne am Tatbestand der Überschuldung etwas zu ändern.

Außerdem werden sich die Banken und Versicherungen als Gläubiger Griechenlands an der „Rettung“ beteiligen und auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Wer wieviel wann beiträgt, muß sich noch herausstellen. Alles deutet darauf hin, daß die Banken ein gutes Geschäft gemacht haben. Und drittens – das ist die wichtigste Maßnahme – wird der Rettungsfonds EFSF ermächtigt, künftig auch vorbeugend einzugreifen, Geld für die Rekapitalisierung von Banken bereitzustellen und vor allem Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt zu kaufen. Damit ist es der Europäischen Zentralbank (EZB) gelungen, sich bis auf weiteres auf Kosten der Steuerzahler zu entlasten.

Wenn die Absicht darin bestand, einen Euro-Crash schon in diesem Sommer zu verhindern, Zeit zu kaufen und die Krise zu verschleppen, dann war der Brüsseler Gipfel ein Erfolg. Dann kann man den Beschlüssen eine gewisse Raffinesse nicht absprechen. Und Frankreich hat sich auch diesmal durchgesetzt. Seit Beginn der Krise ist das Muster immer dasselbe: Angela Merkel bezieht relativ vernünftige Positionen, die sie nach längeren Rückzugsgefechten dann doch räumt. Irgendwie ist der Euro jetzt Frankreichs Währung, aber Deutschlands Problem.

Es läßt sich darüber streiten, ob die Kanzlerin mehr als Überzeugungstäterin oder mehr als Getriebene handelt, inwieweit sie das böse Spiel durchschaut und ob sie den fatalen Mechanismus dieser Staatsschuldenkrise wirklich versteht. Welche finanziellen Auswirkungen die Beschlüsse von Brüssel haben werden, könne „im Augenblick nicht gesagt werden“, erklärte sie auf ihrer Pressekonferenz. Das war immerhin ehrlich. Fest steht jedenfalls, daß sie für eine andere Euro-Politik, wie sie von wenigen Abgeordneten um Frank Schäffler und Peter Gauweiler gefordert wird, keine Mehrheit im Bundestag fände. Die Erkenntnis, daß das Euro-Experiment gescheitert ist und abgebrochen werden sollte, liegt jenseits des Horizonts der politischen Klasse.

Zur deutschen Realitätsverweigerung paßt auch, daß Regierung und Bundestag monströse Verpflichtungen eingehen, ohne über die letztendlichen Kosten überhaupt nachzudenken. Der Präsident des Ifo-Institus, Hans-Werner Sinn, hat einen deutschen Verlust in Höhe von mehr als 600 Milliarden Euro ausgerechnet, falls die Mittelmeerländer pleite gehen. Es kursieren hypothetische Berechnungen, die sich auf 1.000 Milliarden summieren. Damit würde sich die deutsche Staatsschuld im Extremfall um 50 Prozent erhöhen. „Am Schluß müßten die Deutschen alles bezahlen“, sagte der renommierte Schweizer Vermögensverwalter Felix Zulauf in der Wirtschaftswoche. Daß sich Deutschland mit zusätzlichen 1.000 Milliarden verschulde, werde aber nicht möglich sein.

Wo liegt die Sollbruchstelle? Wer oder was könnte den Marsch in die Haftungsgemeinschaft und in den Währungssozialismus stoppen? Wie könnte die bereits 2010 in Gang gesetzte Interventionsspirale angehalten werden? Am einfachsten, aber alles andere als risikolos wäre der Austritt Deutschlands aus der Währungsunion. Dann würde die neue deutsche Währung aufwerten, die deutsche Exportwirtschaft würde zunächst leiden, und die Bundesbank müßte massiv Euros kaufen, um die Aufwertung zu bremsen. Aber die anderen Euro-Länder bekämen die Abwertung, die sie brauchen, ohne selbst abwerten zu müssen. Immerhin wurde etwas ähnliches Anfang der neunziger Jahre in der damaligen Krise des Europäischen Währungssystems zeitweilig von Paris vorgeschlagen. Nur ist die Wahrscheinlichkeit, daß Berlin einen solchen Alleingang wagt, äußerst gering.

Eher vorhersehbar ist, daß Griechenland die von oben verordnete Hungerkur nicht durchsteht und bis 2012 den Staatsbankrott erklärt und daß die Euro-Zone innerhalb der nächsten drei Jahre schrumpfen wird. Nicht, weil Berlin und Paris nicht mehr wollen, sondern weil die Südeuropäer nicht mehr können, weil die Austeritätspolitik am südlichen Rand der Zone, vielleicht auch in Irland, innenpolitisch nicht mehr durchsetzbar ist.

Wie auch immer, die verantwortlichen Politiker haben sich für den Schrecken ohne Ende statt eines Endes mit Schrecken entschieden, was freilich nicht ausschließt, daß sie beides bekommen. Ein Ausscheiden Griechenlands schon im Mai 2010 hätte den Euro nicht geschwächt, sondern gestärkt. Eine europäische Einheitswährung ist kein Selbstzweck. Sie darf nicht spalten, sie muß mehr Vorteile als Nachteile bieten. Der Euro ist mit der EU ebensowenig identisch wie diese mit Europa. Zu behaupten, daß Europa scheitern werde, wenn der Euro scheitert, ist fahrlässig, unverantwortlich und objektiv falsch.

 

Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des Finanzdienstes „Gold & Money Intelligence“. www.bandulet.de

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