© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/11 29. Juli / 05. August 2011

Joachim Hunold. Tausende Deutsche fliegen mit ihm politisch unkorrekt in den Urlaub
Auf Gegenkurs
Ronald Berthold

Wer kann schon von sich behaupten, dafür ausgezeichnet zu werden „daß es auch heute noch Männer gibt, die den Mut haben, ein Typ zu sein“? Joachim Hunold hat mit dieser Begründung 2007 den Orden wider den tierischen Ernst erhalten. Und das auch heute noch zu Recht: Wenn es in der deutschen Wirtschaft noch einen Typen gibt, der mutig gegen den Zeitgeist bürstet, dann ist es der Chef von Air Berlin.

Viele, die dieser Tage in den Urlaub fliegen, werden nach dem Bordmagazin der nach der Lufthansa inzwischen zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft greifen, um Hunolds Editorial zu lesen. Der 61jährige gebürtige Düsseldorfer attackiert in seinen Vorworten regelmäßig und schonungslos die politische Klasse, die er auf dem Weg in den „demokratischen Sozialismus“ wähnt – dabei schließt er die Merkel-CDU bewußt mit ein. „Unsere beiden Volksparteien“ versuchten „heute mehr denn je, sich Minderheiten anzudienen“, sie bereiteten damit „Gysi und den Ewiggestrigen aus der Rest-SED“ den Weg. „So werden Rattenfänger salonfähig gemacht“, poltert Hunold.

Derart deutliche Worte ist man in Zeiten sich anbiedernder Wirtschaftsbosse nicht mehr gewohnt. Unterwürfige Gesten von Bahnchef Grube gegenüber dem grünen Ministerpräsidenten zu Stuttgart 21 oder Verbeugungen vor der Anti-AKW-Kanzlerin prägen das Bild von Deutschlands ökonomischer Elite. Da tun Aufmucker gut. Zu diesen Ausnahmen gehört Hunold, der 1978 sein Jurastudium schmiß, statt dessen als Gepäckverlader am Flughafen Düsseldorf anheuerte, dort zum Vize-Stationsleiter aufstieg und sich weiter hocharbeitete. 1991 übernahm er die kleine in den USA beheimatete Fluggesellschaft Air Berlin mit nur zwei Maschinen. Heute umfaßt die Flotte fast 170 Flugzeuge, Mitbewerber LTU und Deutsche BA hat man geschluckt und 2010 über 33 Millionen Passagiere befördert. „Ich bin süchtig nach Zahlen!“ verriet Hunold unlängst im Interview und plauderte obendrein das Air-Berlin-Betriebsgeheimnis aus: „Bei uns arbeitet auch der Chef!“

Dem Vater von vier Kindern ist nichts geschenkt worden und er weiß, daß Rücksichtnahme als Schwäche interpretiert wird. Kein Wunder, daß er über die nervige Zauberformel „soziale Gerechtigkeit“ zetert: „Unter das Volk gebracht wurde sie ausgerechnet von Leuten, die mit staatlicher Planwirtschaft schon einmal jämmerlich Schiffbruch erlitten haben.“ Selten wird Kunden eines Unternehmens so inkorrekt aus der Seele geschrieben wie bei Air Berlin. Dem Umsatz des Konzerns schadet das nicht. Daß Air Berlin nun doch tief in die roten Zahlen gerutscht ist, hat andere Ursachen: Aschewolke, Fluglotsenstreik und die arabischen Wirren machen dem Ferienflieger zu schaffen. Doch Hunold warnt zuversichtlich: „Mein Job macht mir Riesenspaß, mein Vertrag läuft ... und Air Berlin sollte man nicht unterschätzen.“

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