© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/11 29. Juli / 05. August 2011

Deutschlands Zukunft in Gefahr
Rohstoffgipfel: Wiederverwertung und Materialeffizienz sollen Knappheiten abfedern
Wolfhard H. A. Schmid

Bayern kann sich dank seiner vielfältigen Industrie und dem Milliardengeschäft des Tourismus mit der deutschlandweit niedrigsten Arbeitslosenquote (3,5 Prozent) schmücken. Trotz Weltfinanzkrise und zweier Ministerpräsidenten  innerhalb von nur vier Jahren besteht mit den von Edmund Stoiber geschaffenen Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung weiterhin politische Kontinuität, wie Beamte der Staatskanzlei in einem Hintergrundgespräch durchblicken ließen.

Damit dies auch so bleibt, haben das bayerische Wirtschafts- und Umweltministerium die mittelständische Industrie vorige Woche zu einem Rohstoffgipfel eingeladen, um über die Möglichkeiten einer Abwendung des immer sichtbarer werdenden Engpasses in der Rohstoffversorgung zu debattieren. Daß diese Initiative von der Bayerischen Staatsregierung ausging, ist verständlich. Schließlich hofft man in München, daß durch solche Aktionen ihre Wirtschaftspolitik im Gegensatz zu Berlin mehr Anerkennung in der Bevölkerung findet.

Der sehr gut besuchte Gipfel machte deutlich, daß die Industrie die Probleme längst erkannt hat. Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) und Umweltminister Markus Söder (CSU) versuchten bei ihren Ansprachen, trotz ihrer Differenzen wegen des Atomausstiegs, Einigkeit und Harmonie zu zeigen. Zeil meinte, Bayern sei zwar reich an Mineralien, aber arm an „Seltenen Erden“ und den darin eingebundenen raren Sondermetallen, von denen schließlich der Wohlstand aller abhängig sei (JF 3/11).

Eine Erkenntnis, die für das ganze importabhänge Deutschland gilt. Zeil empfiehlt der Wirtschaft Kooperationen mit den Rohstofflieferländern, um durch deutsches Wissen die dort vorhandenen Potentiale zu optimieren und die Importe sicherzustellen. Zudem müsse die Ausbeute der Wiederverwertung (Recycling) verbessert und mehr Sekundärrohstoffe eingesetzt werden. Zu diesem Zweck habe man mit den entsprechenden Fraunhofer-Instituten neue Forschungszentren geschaffen. Fast 97 Prozent der „Seltenen Erden“ kommen derzeit aus China, das mit seinen Exportbeschränkungen eine Kostenexplosion verursacht hat (JF 22/11). Söder ergänzte hierzu, daß Rohstoffe ein größeres Spekulationsobjekt als der Euro seien. Er glaubt an die Möglichkeit, die Recyclingquote bei Baustoffen aus dem Altbaubestand von bisher 1,6 Milliarden Euro um das Vierfache zu erhöhen.

Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, wies darauf hin, daß 70 Prozent der Beschäftigten in Bayern direkt oder indirekt im Rohstoffeinsatz tätig seien. Er appellierte an die Politik, den Ankauf der Schrottressourcen aus den USA und Europa für Drittländer nicht mehr zuzulassen. Erich Greipl, Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK), hob hervor, daß inzwischen 90 Prozent der Betriebe wegen der Kostenexplosion und Rohstoffsicherung neue Lieferanten suchten, wovon 70 Prozent bereits neue Verträge abschließen konnten.

Belanglos waren dagegen die Ausführungen von Johann Friedrich Colsman, Mitglied im Kabinett von Antonio Tajani, dem EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie. Er wies darauf hin, daß China, statt wie früher zwölf, nun 40 Prozent des weltweiten Kupferbedarfes für sich reklamiere, aber ohne konkrete Vorschläge für die Unternehmen parat zu haben.

Große Beachtung verdienten hingegen die Beiträge von Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und dem Augsburger Ressourcenstrategen Armin Reller. In ihren aufgezeigten Rohstoff-Risiko-Indizes boten Sie eine echte Hilfe für unternehmerische Entscheidungen. Besonders Rohstoffe mit hoher „Gefahrenklasse“, wie etwa Ytrium für Laser und Permanentmagnete oder Lithium für Akkumulatoren und die Metallurgie, werden großen Einfluß auf die Weiterentwicklung innovativer Technologien haben. Kobalt und Tantal kommen aus dem politisch instabilen Kongo, Metalle der Platingruppe vor allem aus Rußland.

Dazu berichtete Volker Steinbach über die Aktivitäten der neugegründeten Deutschen Rohstoffagentur (Dera), einer Tochter der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (JF 45/10). Die Bundesregierung habe nun die Rohstoffproblematik erkannt und man suche ernsthaft nach Lösungen. Das Gleiche gilt auch für die Forschungsaktivitäten an den bayerischen Universitäten und Hochschulen, wie die Beiträge ihrer Vertreter bestätigten.

Nikolaus Knauf, Chef des Gesellschafterausschusses des Baustoffherstellers Knauf, beschrieb hingegen als Praktiker die Sonderwege seiner Unternehmensgruppe. Die Veranstaltung machte deutlich, daß angesichts der sich abzeichnenden Knappheiten die Neuentwicklung von Alternativrohstoffen, eine verbesserte Wiederverwertungsstruktur und Intensivierung der Zusammenarbeit mit den Ressourcenländern die Strategien für die zukünftige deutsche Rohstoffsicherung sein müssen.

Rohstoffstrategie Bayern:  www.stmwivt.bayern.de

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