© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/11 29. Juli / 05. August 2011

Wiederaufbau in Polen: Klage über „Antimodernismus“
Bedürfnis nach verlorener Schönheit
(hr)

Neben dem historischen Zentrum Krakaus, dem KZ Auschwitz und dem Salzbergwerk Wieliczka ist die wiederaufgebaute Altstadt Warschaus seit 1980 die vierte Weltkulturerbestätte Polens. Und dies, obwohl es sich weder um originale Denkmalsubstanz noch um eine originalgetreue Rekonstruktion handelt, wie die Warschauer Professorin Malgorzata Omilanowska betont (Informationen zur Raumentwicklung, 3-2011). Die Unesco-Ehrung galt daher nicht einem historischen Erbe, sondern der polnischen Aufbauleistung, die nach 1945 entscheidend zur Wiedererlangung der kulturellen Identität und zur sozialen Integration beitrug. Das fortwirkende Bedürfnis, „verlorene Schönheit“ zurückzugewinnen, treibe heute jedoch merkwürdige Blüten. Einerseits genieße die gelungene Kopie größere Wertschätzung als das Original, so daß marode Bürgerhäuser aus dem 19. Jahrhundert nicht renoviert, sondern abgerissen und als Reprise neu errichtet werden. Andererseits schlage die Bevorzugung des Ancien-Regime-Ambiente in rigiden „Antimodernismus“ um, der sich gegen die Architektur der Moderne aus der Zwischenkriegszeit und der sozialistischen Ära austobe, die auch denkmalpflegerisch zur Disposition stünde. Die Globalisierung werde solche Wünsche nach lokaler Bindung, nach Identität und Beheimatung in vormoderner Schönheit verstärken. www.bbsr.bund.de

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