© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/11 29. Juli / 05. August 2011

Frisch gepresst

Karl Eschweiler. Unter den „Brückenbauern“ zwischen Kreuz und Hakenkreuz, katholischer Kirche und NS-Staat, ist der Bonner Fundamentaltheologe Karl Eschweiler, der seit 1928 an der Staatlichen Akademie im ermländischen Braunsberg lehrte, stets ein Geheimtip gewesen. Seine Arbeit über „Die zwei Wege der neueren Theologie“ (1926) gilt bis heute als eines der „besten Werke katholischer Theologie der Weimarer Epoche“. Und in der Literatur zu seinem Freund Carl Schmitt hat die nur von Tröpfen so genannte „Nazi-Größe“ (Michael F. Feldkamp) Eschweiler einen Stammplatz. Die Bückeburger Archivarin Brigitte Poschmann wies oft beiläufig auf einen Nachlaß hin, der der Erschließung harre. Nun hat der Augsburger Dogmatiker Thomas Marschler endlich auf Eschweilers Hinterlassenschaft zugegriffen und sie zur Basis einer Monographie gemacht. Sie wartet im Kapitel über den Systematiker mit eindringlichen Analysen auf, während die Ausführungen über „Eschweiler als Nationalsozialist“ allzusehr den leicht verstaubten Vorgaben folgen, die etwa Klaus Breuning 1969 über den deutschen Katholizismus „zwischen Demokratie und Diktatur“ formulierte. (ks)

Thomas Marschler: Karl Eschweiler 1886–1936. Theologische Erkenntnislehre und nationalsozialistische Ideologie. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2011, broschiert, 428 Seiten, Abb., 44 Euro Euro

 

Mielkes Justiz. Der Hallenser Rechtshistoriker André Gursky stellt seiner Arbeit über die politische Justiz der DDR die Parole Lenins voran, derzufolge „das Gericht“ den Terror nicht beseitigen, sondern „ohne Schminke gesetzlich verankern“ solle, woran sich die SED-Clique vierzig Jahre treu gehalten hat. Doch Gursky widmet sich in der mit 1.000 Fußnoten und einem 100seitigen Dokumentenanhang aufwartenden Monographie weniger dem terroristischen Alltag als dem ideologischen Überbau der „sozialistischen Rechtsstaatlichkeit“. Dabei gelingen ihm Kabinettstücke wie die Porträtskizze von Mielkes „Rechtsphilosoph“ Hermann Klenner. Obwohl dessen Stasi-Nähe schon vor 1989 im Westen kolportiert wurde, hatten liebe westdeutsche Kollegen wie Robert Alexy (Kiel) keine Berührungsängste und verweigerten auch nach dem Mauerfall Klenner und Konsorten nicht ihre „Solidarität“. Hier scheint bei Gursky ein düsteres Kapitel bundesdeutscher Wissenschaftshistorie auf. (ob)

André Gursky: Rechtspositivismus und konspirative Justiz als politische Strafjustiz in der DDR. Peter Lang Verlag, Frankfurt 2011, gebunden, 460 Seiten, Abbildungen, 74,80 Euro

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