© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/11 / 12. August 2011

Wie aus 20 Milliarden nun 2.000 Milliarden Schulden wurden
Nach uns die Sintflut
Rolf Stolz

Die 20 Milliarden D-Mark Schulden, mit denen die Bundesrepublik 1950 ins Wirtschaftswunder startete, hatten sich bis 1962 verdreifacht, aber das Bruttoinlandsprodukt (BIP) war viel stärker gestiegen. Daher sank der Anteil der öffentlichen Schulden am BIP von 21 auf unter 17 Prozent – einen historischen Tiefstand, der nie wieder erreicht wurde.

Doch nicht Bundeskanzler Willy Brandt war der große Schuldenmacher, sondern erst unter seinen vier Nachfolgern brachen alle Dämme. Sein Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller (SPD) drückte den Schuldenanstieg der späten sechziger Jahre ab 1970 wieder unter 20 Prozent. Doch 1972 gab Schiller auf: Er sei nicht bereit, eine Politik zu unterstützen, die den Eindruck erwecke, die Regierung lebe nach dem Motto: „Nach uns die Sintflut.“ Für Finanzminister Helmut Schmidt war dann die Ölkrise von 1973 der Anlaß, das Maßhalten zu beenden. In seiner Kanzlerschaft stiegen die Schulden dann von knapp 200 Milliarden (19,6 Prozent des BIP) auf über 450 Milliarden D-Mark im Jahr 1980 (31,8 Prozent) an.

Helmut Kohl konnte das Staatsdefizit zunächst etwas mindern, doch Hochrüstung und Steuersenkungen waren kreditfinanziert – der Kanzler der Einheit startete 1990 in den Aufbau Ost mit einem 40prozentigen Schuldensockel. Zum Ende der D-Mark-Ära wurde dann die 60-Prozent-Hürde des Euro-Beitritts nur knapp geschafft. Gerhard Schröder verletzte selbst die laschen Maastricht-Kriterien (60 Prozent des BIP, drei Prozent Defizit).

Die Banken- und Euro-Rettung lieferte Angela Merkel die Begründung fürs alternativlose Verschulden. Auf etwa 80 Prozent des BIP (2.000 Milliarden Euro, über 24.000 Euro pro Einwohner) ist der Schuldenberg angewachsen. In Relation zum BIP haben sich die Schulden vervierfacht – innerhalb von nur 35 Jahren. Inzwischen fließt fast die gesamte Neuverschuldung in die Zinszahlung – mit einem Zinseszinseffekt, der den Staat stranguliert und das Gemeinwesen den globalen Finanzmärkten ausliefert.

Wie kam es dazu? Es waren nicht die zurückgefahrenen produktiven öffentlichen Investitionen in Infrastruktur oder Bildung. Das Problem sind jene Ausgaben, die ohne Gegenleistung großzügig verteilt werden: an organisierte Lobbys, Wirtschaftsflüchtlinge, die Sozial- und Betroffenheitsindustrie oder unkontrollierbare Instanzen wie Nato, Uno oder IWF.

Immer mehr verschlingt der wahnwitzige Plan eines dirigistischen EU-Zentralstaates. Doch all dies gehört angeblich zur deutschen Staatsräson. Wie treffend schrieb doch der Satiriker Jonathan Swift in seinen „Tuchhändlerbriefen“: „Ich hielt es stets für den unwiderlegtesten und am allgemeinsten anerkannten Grundsatz, daß die Freiheit eines Volkes darin besteht, daß es nur durch Gesetze regiert wird, die unter seiner eigenen Einwilligung erlassen werden.“

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