© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/11 / 12. August 2011

Die Deflation kommt
Einspruch: Der Börsenguru Günter Hannich bestreitet die Inflationsgefahr
Christian Schwiesselmann

Daß die Staatsschuldenkrise die westlichen Wohlfahrtsstaaten und mit ihnen das bestehende globale Finanzsystem in den Abgrund treibt, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Was nach der Krise kommt, darüber streiten die Gelehrten aber noch. Während einige Jungvögel aus dem Hayek-Nest fröhlich das Inflationslied zwitschern, gibt es manchen frechen Kuckuck, der „Deflation“ dazwischenruft.

Einer von ihnen ist Günter Hannich, der mehrere Sachbücher über den drohenden Staatsbankrott, die Marionettenregierung und die Euro-Katastrophe veröffentlicht hat. Seine Argumentationslinie ist schnell skizziert: Eine Inflation sei nur möglich, wenn in Form einer Lohn-Preis-Spirale die Löhne steigen und diese vermehrt verkonsumiert würden. Die Folge wäre eine schwindende Massenkaufkraft, die am Ende sogar deflationär wirke.

 Die wahre Gefahr liegt für den Chefredakteur des Börsenbriefs Crash-Investor nicht in der Aufblähung (Inflation) der Geldmenge, sondern im glatten Gegenteil: in der Deflation. Sie erwürge das Wirtschaftsleben und könne wie in Japan seit den 1990er Jahren von langer Dauer sein. Um seine These von der Deflationsgefahr zu untermauern, klopft der Diplom-Verwaltungswirt mächtig auf den Busch. Die Inflationslüge werde von den Goldlobbyisten geschürt. Historisch völlig ahnungslos poltert Hannich gegen goldgedeckte Währungen: „Der Goldstandard von 1873 legte durch die massive Verarmung überhaupt erst den Grundstein für den Ersten Weltkrieg, ebenso wie der Goldstandard von 1924 die Weltwirtschaftskrise verursachte und letztlich zum Zweiten Weltkrieg führte.“ Statt dessen plädiert er für umlaufgesichertes Geld à la Silvio Gesell, das verfällt, wenn es nicht ausgegeben wird. Als Keim allen Übels identifiziert Günter Hannich den Zinsmechanismus, der im kapitalistischen System beständig eine Anpassungskrise erzwinge.

 Gegen Hannichs Kuckucksruf läßt sich einiges einwenden. So fokussiert der Autor einseitig auf die Binnennachfrage, blendet die technische Innovation als deflatorische Kraft aus, reduziert die Kriegsursachen auf Wirtschafts- und Währungsfragen. Daß sich zum Ende des 19. Jahrhunderts dank einer stabilen Goldwährung der private und öffentliche Wohlstand in Deutschland mehrte, hätte man bei Thomas Nipperdey nachlesen können. Schiefe Geschichtsbilder, die Verkennung des Zinses als Triebfeder des Kreditgeschäftes und triviale Anlagetips sind das Kennzeichen literarischer Meterware. Ein Kuckucksei.

 

Günter Hannich: Die Deflation kommt – Wie die Inflationslüge Ihr Vermögen gefährdet. Kopp Verlag, Rottenburg 2010, 186 Seiten, gebunden, 18,95 Euro

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