© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/11 / 12. August 2011

Ahab im Atom-U-Boot
DVD: Eine Trash-Version des Klassikers „Moby Dick“
Richard Stoltz

Den Kampf „Mensch gegen Wal“ kann man als tragischen Aufstand gegen die Naturmächte, gegen den „Leviathan“ (Hobbes’ Metapher für den Staat) oder gegen die Übermacht des Schicksals deuten – alle Lesarten von Herman Melvilles „Moby Dick“ (1851) führen ins Zentrum menschlicher Existenz. Seine Dramatik und überwältigende Bildsprache faszinieren auch die Filmwelt: Nach zwei frühen Adaptionen (1926/1930) betonte John Hustons Klassiker-Version von 1956 erstmals die dämonische Seite des Kapitän Ahab, die „innige feind-freundschaftliche Bindung“ (Carl Schmitt) zwischen ihm und dem weißen Wal.

Derzeit nun plant Hollywood ein Remake von „Moby Dick“: Regisseur Timur Bekmambetov setzt dabei auf Graphic-Novel-Ästhetik, die durch Comic-Adaptionen wie „300“ oder „Sin City“ ihre Filmreife erlangte. Und wie immer, wenn ein Blockbuster geplant ist, haut die B-Movie-Produktion The Asylum schnell einen „Mockbuster“, eine billige Vorab-Version heraus.

Voriges Jahr, Bekmambetovs Film war noch im Drehbuchstadium, präsentierte The Asylum bereits seinen „2010: Moby Dick“: Diese kürzlich auf DVD erschienene Version übersetzt die Geschichte ins Genre des Tierhorrors, in die Nähe von „Der weiße Hai“ oder „Piranhas“. Kapitän Ahab kommandiert keinen Walfänger mehr, sondern ein atomares U-Boot. Dessen Form ähnelt in blauschwarzer Tiefsee der des Wals, wirkt wie sein stählernes Double. So kommt es in 3.000 Metern Meerestiefe zur Konfrontation zwischen Tier und Technik. Mehr als in früheren Verfilmungen besitzt Moby Dick hochaggressive Eigendynamik; der Augenkontakt zwischen dem Tier und Ahab ist intensiver, länger, vielschichtiger. Für den alten Kapitän ist es ein metaphysischer Kampf: „Der Wal ist nur eine Maske. Es ist das Geheimnis hinter der Maske, das ich sehe.“ Obwohl: „Vielleicht ist da gar nichts ...“, bloß Leere. Dabei zeigt Regisseur Tey Stokes, wie Ahabs Fanatismus ihn zum rücksichtslosen Tyrannen werden läßt.

„2010: Moby Dick“ ist alles andere als ein Meisterwerk. Die Spezialeffekte wirken trashig, vorgestrig. Nur an wenigen Stellen gelingt es der Regie, Spannung und eigenwillige Poesie zu erzeugen. Das ist mehr, als mancher Kassenschlager bietet.

DVD: 2010: Moby Dick. dtp entertainment AG, 2011, Laufzeit etwa 90 Minuten

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