© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/11 / 12. August 2011

Der Flaneur
Der Schutzmann
Josef Gottfried

Schutzmann im Streifenwagen. Zwischen vier und fünf Uhr morgens, das ist in etwa die Zeit, in der es wieder hell wird. Die schlimmste Phase des Nachtdienstes ist vorbei, der Körper will wieder von alleine wach sein. Es war ruhig, Verkehrsunfall mit Sachschaden, eine Betrunkene grölte vor der geschlossenen Kneipe, ansonsten viel Kaffee, Warten auf der Wache, Blödequatschen.

Er fährt auf einen Parkplatz an der Lenneper Straße, kurz vor der A1, gut geeignet, um eine Ampelkreuzung zu beobachten. Von dort schaut er, ob die Remscheider tatsächlich vor dem weißen Streifen halten, wenn die Anlage rotes Licht zeigt. Nicht etwa, weil es ihn interessierte, eigentlich nur, damit er etwas in den Streifenbericht eintragen kann. Sein Kollege hat die Augen geschlossen, atmet durch die Nase ein, durch den Mund aus, alle paar Minuten ein Schnarchen. Soll er ruhig schlafen, sitzt schon 15 Jahre länger auf dem Bock.

Die Thermoskanne hat ihre besten Zeiten hinter sich, lauwarmer, bitterer Kaffee. Er stößt auf, ekelhaftes Sodbrennen. Die Ampel schaltet auf rot, der Polizist wird aufmerksam. Ein Fahrzeug hält, kurz, rollt dann vor, mit den Vorderreifen weit über den weißen Streifen, die Ampel schaltet auf grün, der Fahrer bedient seine Kupplung unkonzentriert, der Wagen bockt leicht und mit heulendem Motor verzieht sich die Karre.

Über Funk kommt die Wache. Sein Kollege dreht den Kopf und flucht leise. „Ja“, bestätigt der Junge den Unmut des Alten und quittiert den Funkspruch. Wieder Verkehrsunfall mit Sachschaden. Ein Omnibus ist auf der ersten Fahrt des Tages mit einem Kehrwagen kollidiert, der sich angeschickt hatte, den Müll der letzten 24 Stunden wegzuputzen. Das muß dokumentiert werden wegen der Versicherung. Derweil erwacht das Bergische Land.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen