© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/11 / 19. August 2011

Den Banden das Leben zur Hölle machen
England: Nach den Unruhen zeigt die konservative Regierung Härte / Linke Opposition kritisiert simple Lösungen
Curd-Torsten Weick

Wirkte die konservative Regierung von David Cameron zu Beginn der Krawalle und Plünderungen kopf- und hilflos, so beweist sie seitdem Härte. Das war ein „Weckruf für unser Land“, konstatierte Cameron vor Jugendlichen in seinem Heimatkreis Oxfordshire und unterstrich nochmals, daß die Unruhen fern jeder rassistischen Komponente zu betrachten sind („Täter und Opfer waren weiß, schwarz und asiatisch“). Statt dessen seien dieser Tage „seit Jahren schwelende soziale Probleme“ vor aller Augen explodiert.

Polizei verärgert über Abbau von Dienststellen

Nun gelte es, dem „moralischen Kollaps“ sowie der weitverbreiteten „Kultur der Faulheit, Verantwortungslosigkeit und des Egoismus“ entgegenzutreten. Entsprechend werde seine Kabinett in den nächsten Wochen neue Richtlinien ausarbeiten, versprach Cameron und kündigte parallel dazu einen „totalen Krieg“ gegen das in einigen Stadteilen Londons grassierende Bandenwesen (siehe Reportage auf Seite 12) an.

Überhaupt steht die allgemeine Abschreckung und die Bestrafung der Krawallmacher im Mittelpunkt konservativer Krisenbewältigung. Früh wurde der Einsatz von Militär und ein Verbot der Twitter- und Facebook-Kommunikation in Erwägung gezogen.

Kurz darauf kündigte Vize-Premierminister Nick Clegg an, verurteilte Randalierer in orangefarbener Zwangskleidung zu Aufräumarbeiten zu verpflichten. Innenministerin Theresa May brachte Ausgangssperren für Jugendliche im Alter unter 16 Jahren ins Gespräch, und Arbeitsminister Iain Duncan Smith, von Cameron zum Sonderbeauftragten zur Bekämpfung der Bandenkriminalität ernannt, versprach Gang-Mitgliedern, deren Leben „zur Hölle“ zu machen. Zudem sollten Stadtverwaltungen die Möglichkeiten nutzen, Plünderer und deren Familien die Sozialhilfe zu streichen und sie aus Sozialwohnungen zu werfen.

„Simple Lösungen“ nennt dies dagegen Oppositionsführer Ed Miliband und fordert eine tiefergehende Untersuchung der Ursachen der Gewalt. Man könne Armut und soziale Benachteiligungen als auslösendes Moment der Geschehnisse nicht einfach so vom Tisch wischen. Dieser spezielle „politische Instinkt – eine Menge neuer Gesetze ankündigen, einen neuen Berater anstellen, ein paar alte Vorurteile hervorholen – wird das öffentliche Bedürfnis nach echten Antworten und an nachhaltigen Lösungen nicht befriedigen“, erklärte der LabourVorsitzende.

Vor allem die Bestellung des früheren Chefs der Polizei von Los Angeles, Boston und New York, William Bratton, der London als ehrenamtlicher Berater bei Jugend- und Ganggewalt beraten soll, führt bei den britischen Sicherheitskräften zu heftigen Irritationen. Zudem kritisieren Interessenvertreter der Polizei seit langem die von der konservativ-liberalen Regierung geplanten Kürzungen bei der Polizei.

So soll in den kommenden vier Jahren im Rahmen des rigiden Sparprogramms der Cameron-Regierung der Polizeihaushalt um bis zu 20 Prozent gesenkt und bis zu 30.000 Polizeidienststellen abgebaut werden. Eine Rücknahme der Pläne lehnen Cameron sowie Finanzminister George Osborne jedoch ab. Angesichts des Rekordhaushaltsdefizits seien die vorgesehenen Einschnitte unabdingbar.

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