© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/11 / 26. August 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Jauchzen von links
Paul Rosen

Beifall von der falschen Seite zeigt: Man hat einen Fehler gemacht. Selbst Inhaber höchster Staatsämter verhalten sich gelegentlich wie der Zauberlehrling, der die gerufenen Geister nicht mehr los wird. Daran darf sich Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erinnert fühlen. Die Berufung seiner neuen „von der SPD protegierten Sprecherin“ (Süddeutsche Zeitung) Sabine Adler, die bisher beim Deutschlandfunk tätig war (JF 34/11), hat in den eigenen Reihen nur sprachloses Schweigen, in linken Medien jedoch Jauchzen ausgelöst.

Schauen wir uns einmal genauer an, was zum Beispiel Hans Peter Schütz auf „stern.de“ schreibt. Er lobt Adler, die zu DDR-Zeiten in Leipzig im „Roten Kloster“ Journalistik studierte, als „scharfsinnig-charmante Interpretin der deutschen Politik“. Schütz (Jahrgang 1941), das muß man wissen, hört es nicht ungern, wenn er zu den „68ern“ gezählt wird. Mitte der siebziger Jahre gelang ihm der Sprung nach Bonn als Korrespondent. Lange beim Stern und anderen Zeitungen, wurde Schütz einer der linken Stichwortgeber in der Bundespressekonferenz. Wenn Schütz lobt oder tadelt, ist das für die zahlreichen kleinen Lohnschreiber in Berlin ein Signal, wohin die Reise zu gehen hat.

So wundert es nicht, daß die linke taz mit einer Geschichte über Lammert, der mit Adlers Berufung der SPD einen Gefallen tun wollte und damit seine Wiederwahlchancen in der nächsten Legislaturperiode verbessern will, nachlegte. Unter der Überschrift „Lammert rüstet nach“, bescheinigte Matthias Lohre der als „linksliberal geltenden Radiojournalistin“: „Sie soll eine blendend vorbereitete, mitunter resolute Organisatorin sein.“ Der Deutschlandfunk wollte bei dieser Beweihräucherung nicht fehlen und machte ein Interview mit der bisherigen Chefin des Hauptstadtstudios, das mitlerweile aber nicht mehr im Netz zu finden ist.

Interessant ist, daß Schütz Adlers Vergangenheit an der wegen ihrer SED- und Stasi-Affinität bekannten Leipziger DDR-Kaderschmiede für Journalisten keine Zeile wert ist. Die taz erwähnt Leipzig zwar, vergißt aber im Gespräch mit der grünen Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, die sich zur damaligen DDR-Opposition zählt, die Frage, ob jemand aus dem „Roten Kloster“ für ein Parlament eines demokratischen Landes tragfähig ist oder nicht.

Zurück zu APO-Opa Schütz. Während die taz über Adlers zum Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages versetzten Vorgänger Guido Heinen beinahe neutral schreibt, die Versetzung des „ehemaligen unscheinbar wirkenden Welt-Redakteurs mit konservativ-christlichem Selbstverständnis“ sei ohne erkennbaren Anlaß erfolgt, führt sich Schütz wie ein Kettenhund auf: Heinen könne, „ätzen seine bisherigen Mitarbeiter in der Pressestelle und Berliner Journalisten, seine ausgeprägte Arroganz und häufige schlechte Laune endlich ungehemmt an Akten auslassen“. Dann wird Schütz zum (peinlichen) Charmeur: „Derartige Gemütszustände sind bei der Nachfolgerin Adler völlig unbekannt.“

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