© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/11 / 26. August 2011

Lockerungsübungen
Alarmsignal für Netzwerke
Karl Heinzen

Die aktuelle Umfrage des Marktforschungsunternehmens Gartner zur Zufriedenheit mit Sozialen Netzwerken weist ein überraschendes Ergebnis aus. Zwar nimmt die Nutzung von Facebook, Twitter, YouTube und vergleichbaren Angeboten weiterhin zu. Dies ist jedoch in erster Linie darauf zurückzuführen, daß sich nun auch jene Generationen, die Faxgerät, Autotelefon und CD-Player noch als technologische Revolutionierungen des Alltags erlebt haben, mit diesen neuen Medien anzufreunden beginnen, um der Gefahr vorzubeugen, durch die sich ankündigende altersbedingte Immobilität von der Außenwelt abgeschnitten zu werden. Unter den 18- bis 29jährigen macht sich hingegen allmählich Ermüdung breit. Jeder vierte der Befragten aus dieser für Werbung und Trendforschung immer noch relevanten Altersgruppe räumte ein, daß er sich schon bald nach der Anmeldung immer seltener in sozialen Netzwerken engagiere. Ein wesentlicher Grund dafür scheint Langeweile zu sein, die sich bei vielen bereits nach ersten Erfahrungen einstellt.

Soziale Netzwerke schaffen wenigstens virtuellen Zusammenhalt zwischen Vereinzelten.

Die Marktforscher vermuten, daß die Desillusionierung bereits größere Ausmaße angenommen hat, als die Umfrage zu erkennen gibt. Die kommerziellen Betreiber der Netzwerke müssen dies als ein alarmierendes Signal begreifen, da sich der Marktwert ihrer Unternehmen aus einem Hype und nicht aus nüchternen kaufmännischen Ertragserwartungen ableitet. Um den Nimbus eines unverzichtbaren Bestandteils der modernen Alltagswelt zu erhalten, müssen sie mehr in die Vielfalt und den Komfort ihrer Angebote investieren, die heute ohne Ausnahme eher bieder und stereotyp konzipiert sind.

Es ist dabei auch gesellschaftspolitisch wünschenswert, daß die Sozialen Netzwerke langfristig erfolgreich bleiben, schaffen sie doch wenigstens einen virtuellen Zusammenhalt zwischen Vereinzelten, der ihnen in ihrem „realen“ Leben zunehmend verwehrt bleibt. Da die Mobilitätskosten rasant steigen, bleiben sich Menschen nahe, auch wenn zwischen ihnen große räumliche Distanzen liegen und sie sich Zusammenkünfte immer weniger leisten können. Zudem wirken Soziale Netzwerke dem bedenklichen Trend rasch wechselnder „Freundeskreise“ entgegen. Mehr Menschen fühlen sich einander verbunden, da ihr Sympathieempfinden nicht durch leibhaftige Begegnungen auf die Probe gestellt wird.

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