© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/11 / 26. August 2011

Haltungsnote
Stuttgarts Schwätzle
Christian Schwiesselmann

Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Die CDU hat den Begriff der Nation wie die Wehrpflicht einfach ausgemustert. Im aktuellen Grundsatzprogramm ist zwar noch von der Nation als „Verantwortungsgemeinschaft für die Vergangenheit, für die Gegenwart und für die Gestaltung der Zukunft“ die Rede, einem „Fundament“ des Zusammenhalts „unserer Gesellschaft“ – faktisch handelt es sich aber um eine terminologische Theaterrequisite.

Längst haben Unionspolitiker wie Wolfgang Schuster gedanklich Abschied genommen. Das Grundverständnis von Nationalstaaten in Europa, das sich im 19. Jahrhundert herausgebildet habe, beruhe im wesentlichen auf der Idee einer Nation als Staatsvolk und einem Staat mit Souveränitätsrechten. Durch die „wachsende Internationalisierung der Bevölkerung“ sei die Idee längst nicht mehr realistisch, dozierte der Stuttgarter Oberbürgermeister kürzlich in der Welt.

Der Amtsnachfolger Manfred Rommels verwirft nicht nur den Nationalstaat, sondern angesichts der Euro-Krise auch die Flucht aus der Gemeinschaftswährung. Für Deutschland als „exportstärkste Nation in Europa“ – so lautet das eigenartige nationalökonomische Argument des 61jährigen Stadtoberhauptes – würde dies zu einem Bumerang.

Typisch für seine Zunft, überschätzt der promovierte Jurist die Unabänderlichkeit des EU-Vertragsrechtes, das keinen Ausschluß von Pleitestaaten zulasse. Zugleich unterschätzt der Vertreter der windelweichen Schwaben-Union die Beharrungskraft des Nationalgedankens in Osteuropa, aber auch im stolzen Frankreich. Schusters Plädoyer für die Preisgabe weiterer „Souveränitätsrechte und Entscheidungsfreiräume“ scheitert schon am fehlenden EU-Staatsvolk. Außer seinsvergessenen deutschen Intellektuellen wird niemand sein Vaterland verschenken.

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