© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/11 / 02. September 2011

Milliarden für Europa
Unverbesserliche Kleingärtner?
Rolf Dressler

Politikern oder Journalisten wird gelegentlich die Neigung nachgesagt, Antworten auf Fragen zu geben, die niemand gestellt hat. Zu verlockend ist die Aussicht, damit Schlagzeilen zu machen. Ein paar Kernfragen aber stellt merkwürdigerweise kein Mensch in all dem EU-, Euro- und Finanzdauerkrisen-Tohuwabohu: Wie genau, ganz handfest, läuft das eigentlich, wenn es in Brüssel, Berlin oder anderswo wieder einmal heißt, nun werde das soundsovielte Milliarden-Rettungspaket auf die Reise geschickt?

Wer in den Machtzentralen etwa an der Spree oder an der Seine fertigt den betreffenden Überweisungsbeleg via Brüssel formgerecht aus, vielleicht die deutsche Bundeskanzlerin höchstpersönlich? Und die Empfängeradresse Athen? Auf wessen Konto dort und zu wessen Händen in Person fließen die horrenden Hilfs- und Stützungsgelder? Und vor allem: Wer eigentlich bestimmt sodann über deren Verwendung und Verteilung? Lapidar verkünden die regierenden Damen und Herren der „Euro-Gruppe“, die ersten gigantischen Rettungsmilliarden seien leider, leider praktisch wirkungslos verpufft; deshalb habe man sich entschließen müssen, ein weiteres dickes Geldpaket nachzuschieben. „Alternativlos“, versteht sich.

Angela Merkels Kampflosung müßte übrigens zum Unwort des Jahrzehnts gekürt werden. Denn wer so auftrumpft, will nicht nur Kritiker mundtot machen, sondern mißachtet die Grundregeln demokratischen Ringens um bestmögliche Problemlösungen. Kalt werden europäische Verträge gebrochen und kurzerhand auf den Kopf gestellt. Die Europäische Zentralbank wird zum Werkzeug, zum Spielball derer umfunktioniert, die hier und jetzt offenbar um jeden Preis ihr großsozialistisches Mammutvorhaben durchboxen wollen.

Der ostwestfälische CDU-Europapolitiker Elmar Brok, als außenpolitischer Sprecher seiner Parlamentsfraktion und Bertelsmann-Lobbyist ein besonders getreuer Gefolgsmann Angela Merkels, bürstet europakritische Einreden aus der Bürgerschaft mit der süffisanten Bemerkung ab, die Deutschen seien eben unverbesserliche „Kleingärtner“.

Auch dagegen aber hat man bislang noch keinen einzigen der hierzulande angeblich zig Millionen „Wutbürger“ auf die Straße gehen sehen. Was den Herrschenden sicherlich nicht unlieb ist.

 

Rolf Dressler war langjähriger Chefredakteur beim „West­falen-Blatt“ in Bielefeld und ist nun freier Journalist.

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