© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/11 / 02. September 2011

„Wir sind die bürgerliche Alternative“
Der CDU-Dissident René Stadtkewitz will mit Die Freiheit von Berlin aus eine neue konservative Kraft aufbauen
Moritz Schwarz

Herr Stadtkewitz, Herr Rouhs wirft Ihnen vor, lediglich den Erfolg von Pro Deutschland am 18. September verhindern zu wollen.

Stadtkewitz: Was soll ich zu so einem Unsinn sagen? Wir hatten bei Gründung unserer Partei die immer größer werdenden Probleme unseres Landes im Blick, die Bevormundung durch verantwortliche Politiker und deren Tatenlosigkeit, aber ganz sicher nicht Herrn Rouhs.

Schadet Ihnen deren Konkurrenz?

Stadtkewitz: Hilfreich ist sie sicher nicht, aber wir sprechen ein größeres Wählerspektrum an.

Nämlich?

Stadtkewitz: Immer mehr Bürger sind in Sorge um unser Land. Die von Sarrazin ausgelöste Debatte hat dies deutlich gezeigt. Viele fühlen sich nicht mehr vertreten. Mangels Alternative gehen immer weniger zur Wahl. Bei der letzten Abgeordnetenhauswahl in Berlin waren es über vierzig Prozent. Die Deutschen wollen endlich eine bürgerliche Alternative.

In einem ausführlichen JF-Interview Ende 2010 haben Sie bekräftigt, die Fünf-Prozent-Hürde knacken zu wollen. Laut Umfrage sind Sie davon nun aber meilenweit entfernt.

Stadtkewitz: Befragte sagen oft nicht, wen sie wählen. Kurz vor der Berlin-Wahl 2006 wurden alle „Sonstigen“ auf sechs Prozent geschätzt. Am Ende waren es über 13 Prozent! Hier ist noch nichts entschieden.

Dennoch: Meist liegen die demokratischen Rechten – die laut Umfragen in Berlin zusammen auf etwa ein Prozent kommen – am Wahlabend nahe an der Prognose.

Stadtkewitz: Abwarten. Unser Politikansatz greift das auf, was immer mehr Bürger umtreibt, von den Etablierten nicht angepackt wird.

Nach Ihrem Ausschluß aus der CDU-Fraktion hatte Herr Rouhs Ihnen Avancen gemacht. Warum haben Sie seine Gesprächsbereitschaft nicht wenigstens sondiert?

Stadtkewitz: Durch zu viele NPD- und DVU-Mitglieder hat sich die Pro-Partei selbst zu einer Art „NPD 2.0“ gemacht und die Beobachtung durch den Verfassungsschutz geerbt. Eine Politik, die unserem Land dient und sich am Gemeinwohl seines Volkes orientiert, braucht frische Leute, die nach vorne schauen.

Sie werfen Pro Deutschland zudem Kooperation mit dem französischen Front National vor. Selbst haben Sie allerdings einen EX-DKP-Mann als Pressesprecher und kooperieren mit dem als Rechtspopulisten verschrienen Geert Wilders. Wo ist da der Unterschied?

Stadtkewitz: Reden Sie mit unserem Pressesprecher. Im Laufe des Lebens werden Menschen weiser und nicht selten auch bürgerlicher. Er ist ein kluger Mann mit bürgerlich-konservativen Ansichten. Er war viele Jahre das Aushängeschild der größten Tageszeitung Berlins. Ich bin froh, daß er bei uns ist. Geert Wilders ist ein Bürgerlich-Liberaler und kein Rechtspopulist. Pro muß selbst wissen, wie gut sie mit Ex-NPDlern aufgestellt ist. Ich sehe darin kein Zukunftsmodell.

Gibt es einen inhaltlichen Unterschied zwischen Pro Deutschland und Die Freiheit?

Stadtkewitz: Damit beschäftige ich mich nicht. Wichtiger sind Lösungen für unser Land.

Ihre Partei ist nach dem Vorbild der Partei von Geert Wilders ausgerichtet. Warum schafft die es in Holland bis in die Regierung, während Sie laut Umfragen nicht einmal in die Nähe der fünf Prozent kommen?

Stadtkewitz: Erstens: Nun warten Sie doch erstmal die Wahl ab! Zweitens: Unsere Partei ist erst wenige Monate alt.

Rouhs wirft Ihnen vor, Ihre Wahlkampf-Strategie baue vor allem auf der Großveranstaltung mit Geert Wilders am 3. September in Berlin auf.

Stadtkewitz: Da irrt er. Der Wilders-Aufritt ist wichtig. Aber unsere Mitglieder leisten sehr viel mehr. Neben Info-Ständen, Verteilaktionen, Veranstaltungen auf stark frequentierten Straßen und Plätzen wird es plakatierte LKW-Konvois geben. Ich werde am zehnten Jahrestag der Anschläge des 11. Septembers in New York sprechen. Es ist das erste Mal, daß ein deutscher Abgeordneter hierzu in New York spricht. Am 15. September werden wir eine Veranstaltung mit dem Euro-Kläger Karl-Albrecht Schachtschneider durchführen, um über die von der Kanzlerin immer wieder betonte angebliche Alternativlosigkeit zum Entmündigungsvorhaben zu diskutieren.

Was, wenn am 18. September dennoch alles völlig schiefgeht?

Stadtkewitz: Davon gehe ich nach wie vor nicht aus. Keinesfalls wäre es jedoch das Ende der Partei! Wir haben jetzt zehn Landesverbände, zwei weitere kommen nach der Wahl dazu. Wir haben Die Freiheit mit mehr als 2.000 Mitgliedern schon jetzt flächendeckend in Deutschland aufgebaut und gehen weiter in die Tiefe.

 

René Stadtkewitz ist Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. 2009 verließ er die CDU wegen deren unkritischer Sicht des Islam in Deutschland. Er blieb jedoch Mitglied der Fraktion, wurde aber 2010 wegen einer Einladung des Islamkritikers Geert Wilders ausgeschlossen. Daraufhin gründete der Mittelständler, Jahrgang 1965, die Partei „Die Freiheit“.

www.diefreiheit.org

Foto: Wahlkampf von Die Freiheit und Pro Deutschland (der Name „Sarrazin“ mußte nach Klage überklebt werden): „Nur Plakate kleben reicht nicht“

 

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