© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/11 / 02. September 2011

Bilkay Öney, neue Integrationsministerin in Stuttgart, macht Lobby-Politik der anderen Art
Appetit aufs Ganze
Michael Paulwitz

Viele Migranten leiden unter Selbstüberschätzung.“ Ob sich Bilkay Öney, Integrationsministerin in Stuttgart, die nun ihre hundert Tage im Amt absolviert hat, da auch selbst meint?

Von Freund und Feind wird die türkische Sozialdemokratin mißtrauisch beäugt, weil sie sich weder von paternalistischen Islam- und Türkenverbänden noch von Multikultiträumern vereinnahmen läßt. Ein Verbandsvertreter fragte gar selbstentlarvend, wofür sie dann eigentlich Integrationsministerin geworden sei?

Öney will mehr: Sie ist die knallhart-pragmatische Türöffnerin der „Generation Kaddor“ (JF 38/10), jener ehrgeizigen Einwanderer, die sich anschicken, Staat und Gesellschaft von den müden Deutschen zu übernehmen. Dabei schert sich Öney nicht um Ungereimtheiten. Ihren türkischen Landsleuten wirft sie etwa vor, zuviel TV zu glotzen. Bevor sie ins Berliner Abgeordnetenhaus gewählt wurde, verdiente sie ihre Brötchen aber beim türkischen Sender TRT.

Den bekannten Neuköllner Bezirksbürgermeister Buschkowsky (SPD) ging sie scharf an, weil er „Multikulti“, unter anderem im Interview mit dieser Zeitung, für „gescheitert“ erklärt hatte. Heute klingt sie anders: Die Politik konzentriere sich zu sehr auf die Schwachen, Einwanderer müßten sich mehr anstrengen, sie wolle „nicht Beschützerin der armen kleinen Migranten sein“.

Sondern eben der Aufsteiger. Seit vor fünf Jahren Öneys rasante politische Karriere begann, macht die 41jährige ledige Diplomkauffrau „Integrationspolitik“ für ihresgleichen: Mit drei nach Deutschland gekommen, wurde sie vom alevitisch-kemalistischen Elternhaus zum Lernen angehalten, studierte, engagierte sich bei den Grünen. Als der Seitenwechsel einer türkischen SPD-Abgeordneten ihren Posten als integrationspolitische Sprecherin in Berlin bedrohte, lief Öney 2009 zu den Sozis über und stieg zur Wowereit-Vertrauten auf, bis der turkophile Südwest-SPD-Chef Nils Schmid sie an die Spitze seines neuen „Integrationsministeriums“ berief.

Öney will diese Position nutzen, um Karrierewege für – türkische – Einwanderer zu ebnen. Durch allerlei Förderprogramme, leichteren Zugang zum Öffentlichen Dienst oder ein Uni-Institut für „Migrationsforschung“. Einbürgerung will sie erleichtern, den Doppelpaß durchsetzen. So krempelt man Staat und Staatsvolk um. Da kann sie leicht zum Ärger der Lobby die Forderung nach generellem Ausländerwahlrecht oder Aufhebung des Kopftuchverbots abweisen, um Skeptiker einzulullen. Öney will nicht Parallelgesellschaften zementieren, die nur Verbänden Macht und Einfluß sichern, sie bastelt an einer neuen türkischen Führungselite für Deutschland. Atlantik-Brücke, Bertelsmann-Stiftung und Marshall-Fund sehen sie bereits als Teil einer solchen.

Sie sei ja länger Bundesbürgerin als Angela Merkel, erklärte die 1987 Eingebürgerte. Arroganter kann man den Appetit aufs Ganze kaum formulieren.

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