© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/11 / 02. September 2011

Ein Zigeunerlager in bester Lage
Berlin: Im Görlitzer Park in Kreuzberg kampieren seit Wochen mehrere Roma-Familien in aller Öffentlichkeit
Sven Foligowski

Die Bilder wirken auf den ersten Blick fast romantisch. Während eine Frau Wäsche aufhängt, spielen ihre Kinder vergnügt vor sich hin. Daneben sitzen einige Männer entspannt in der Sonne.

Doch die Szene spielt sich nicht auf irgendeinem Zeltplatz im Grünen ab, sondern im Görlitzer Park mitten in Berlin-Kreuzberg. Und bei den Familien die hier ihre Matratzen unter dem Vordach eines alten Lagerschuppens ausgebreitet haben, handelt es sich nicht um Urlauber, sondern um Zigeuner, die aus Rumänien in die deutsche Hauptstadt eingewandert sind und nun schon seit Wochen für Schlagzeilen sorgen.

Auf den zweiten Blick offenbart sich das eigentliche Problem: Neben dem Quartier der Zigeuner liegt allerlei Müll auf der Wiese verstreut. Gebrauchte Windeln und Essensreste bilden ein Paradies für Vögel, Nager und sonstiges Getier. Wäscheständer stehen in der Gegend herum, Kleider und Schulsachen liegen auf der Treppe des Schuppens verstreut, der von dem sozialintegrativen Projekt „Kreuzer“ der Diakonie betreut wird. In dem Café direkt neben der Diakonieeinrichtung ist man, angesprochen auf die neuen Nachbarn, ausgesprochen schweigsam. Ein Stammgast berichtet lediglich, daß sie öfter die Toiletten des Cafés belegen würden und unter den Gästen bettelten. Ansonsten habe man hier aber keine Probleme mit den Rumänen.

Die meisten Parkbesucher stören die Roma anscheinend nur wenig. Man gibt sich tolerant. Dagegen wächst angesichts der zahlreichen Berichte in den Medien über die Zustände in dem Park die Nervosität in der Politik: Es ist Wahlkampf in Berlin. Sozialstaatssekretär Rainer-Maria Fritsch (Linkspartei), der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening sowie Vertreter der Jugend- und Sozialämter der Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg haben sich mittlerweile darauf geeinigt, den Zigeunern neue Wohnungen zu besorgen. Aus ihren alten waren die nun im Park residierenden Familien zuvor herausgeworfen worden. Der Grund: „Ständiges Urinieren im Innenhof sowie aggressives Verhalten gegenüber Mietern und Anwohnern“, wie es unter anderem im Protokoll der Mieterversammlung der ehemaligen Unterkunft heißt.

Die Stadt will nun bei der Suche nach einer neuen Bleibe für die Familien helfen, um das Problem aus dem Park und aus den Schlagzeilen zu schaffen. Die Miete sollen die Zigeuner dabei selbst aufbringen, wird versichert. Fraglich ist, wie die Finanzierung aussehen soll. Die meisten von ihnen leben vom Betteln oder davon, mehr oder wenig aufdringlich an Ampeln Autofahrern ihre Dienste als Fensterputzer anzubieten.

Seit gut zwei Wochen ist man nun auf der Suche nach einer neuen Unterkunft, bislang vergebens. Zuletzt hatte der Berliner Senat mit dem Beschluß für Aufsehen gesorgt, für die als Touristen einreisenden Zigeuner einen Wohnwagenplatz mit umfangreichen Sozial- und Sanitärgebäuden bereitzustellen. Ob das eine tragfähige Lösung wäre, ist zweifelhaft: Berlin hat seit Jahren mit einem ständig zunehmenden Zustrom an Sinti und Roma zu kämpfen. Mehrere Zehntausend leben schätzungsweise in der Hauptstadt, teilweise in Hausfluren und Parks. Während der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma die Politik vergangene Woche aufgefordert hat, preiswerteren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, wächst vielerorts das Unverständnis für die Zigeuner von nebenan. Der innenpolitische Sprecher der Berliner CDU, Robbin Juhnke, warnte davor, daß sich Berlin zum festen Anlaufpunkt für Zigeuner aus Südosteuropa entwickeln könnte. „Wir sollten daher alle rechtlichen Möglichkeiten ausloten, ihnen den Aufenthalt bei uns so unangenehm wie möglich zu gestalten“, forderte er gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.

Berlin steht mit diesem Problem nicht alleine da: Daß die Warnungen des Berliner SPD-Politikers Heinz Buschkowsky vor einer Armutswanderung aus Bulgarien und Rumänien (JF 35/11)nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigten Anfang der Woche Meldungen aus Duisburg. Auch dort sieht sich die Politik mit einem zunehmenden Zuzug von Zigeunern konfrontiert. In den vergangenen Monaten sollen es bis zu 4.000 gewesen sein. Viele von ihnen zieht es in die Problemstadtteile Marxloh und Hochfelde. In Dortmund sorgt das Gebiet um den Nordmarkt am Hauptbahnhof seit Monaten für Schlagzeilen, seitdem sich hier immer mehr Zigeuner angesiedelt haben.

Im Görlitzer Park machen unterdessen nicht nur die Zigeuner Sorgen. Größere Probleme bereitet der Drogenhandel von Schwarzafrikanern. In aller Öffentlichkeit werden hier Drogengeschäfte abgewickelt. Die regelmäßigen Razzien der Polizei bewirken nichts. Der integrationspolitische Sprecher der Berliner CDU, Kurt Wansner, warnte daher jüngst vor einer „Verslumung“, die die Grünanlage zu einer „No-go-Area“ für die Bürger mache.

Foto: Kampierende Zigeuner im Görlitzer Park in Berlin Kreuzberg: Aus den alten Wohnungen sind die Roma-Familien herausgeflogen

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