© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/11 / 09. September 2011

Neuverschuldung sinkt auf 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung
Ackern für die Peripherie
Philipp Bagus

Der deutsche Schuldenberg wächst langsamer. Das Staatsdefizit sinkt im ersten Halbjahr 2011 auf 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung. Staatsschulden werden durch künftige Steuern oder Geldentwertung beglichen, daher ist Freude angebracht. Auch die Ursachen des Rückgangs stimmen auf den ersten Blick optimistisch. Die konjunkturabhängigen Ausgaben wie Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld gingen zurück.

Gleichzeitig sprudelten die Steuereinnahmen mit einem Plus von sechs Prozent. Der Konjunkturmotor brummt. Wie kaum ein zweites Land hat sich Deutschland von der Weltwirtschaftskrise erholt. Die Ursache liegt zum Teil in den zwar unzureichenden, aber in die richtige Richtung weisenden Reformen der Agenda 2010. Durch Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und Hartz IV wurden alte, wohlfahrtsstaatliche Besitzstände angegangen, der Niedriglohnsektor ausgebaut.

Die Reformen der letzten zehn Jahre waren für viele Deutsche schmerzlich, brachten jedoch eine sich nun auszahlende Wettbewerbsfähigkeit und Flexibilität. Nicht so in Südeuropa. Dort glichen die für die Deutschen harten Jahre einer Jahrhundertsause. Man nutzte niedrige Zinsen durch die deutsche Unterstützungsgarantie und eine expansive europäische Zentralbank für ausufernde Staatsausgaben und Defizite. Die Defizite führten zur Geldmengenausweitung und verursachen einen Kaufkraftverlust. Der trifft im Euro-System jedoch alle Währungsbenutzer, wie ich in meinem Buch „Die Tragödie des Euro“ ausführlich beschreibe. Dank Deutschland und Euro lebten Private und Staat in Süd­europa auf zu großem Fuß.

Damit dies weiter möglich ist und Einschnitte sowie Reformen behutsam, wenn überhaupt, angegangen werden, braucht Südeuropa tragfähige und belastbare deutsche Staatsfinanzen. Schließlich bürgt Deutschland praktisch für die Südländerschulden. Die deutschen Defizitzahlen haben daher wohl vor allem in Südeuropa für Aufatmen gesorgt und Grund zur Freude gegeben. Diese Länder brauchen ihre Defizite jetzt nicht mehr so schnell zu verringern.

Wenn man sich die Zahlen genauer anschaut, geben sie aus deutscher Sicht eher Anlaß zur Sorge. Obwohl die Wirtschaft stark auftrumpft, schrumpft der Staat nicht. Man hätte Steuern senken, Ausgaben begren-zen und so den Bürgern mehr Platz zum Atmen und Schaffen überlassen können. Im Gegenteil: Der Staat steigert seine Einnahmen. Er zieht mehr Ressourcen aus dem Privatsektor ab, wo sie Konsumentenwünschen dienen, und verleibt sie dem unproduktiven Staatssektor ein. Für Steuersenkungen ist kein Platz. Die heutigen und künftigen Rettungen der Peripherieländer sind teuer. Der Euro soll erhalten bleiben. Für diese Mammutaufgabe muß der deutsche Staat Fett ansetzen, das er seinen Bürgern absaugt. Und die Deutschen? Die darben und buckeln.

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