© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/11 / 09. September 2011

Höllenfahrt in die Sowjetunion light
Euro-Krise: Fünf der bekanntesten Kritiker der Währungsunion haben ihre Argumente in einem neuen Buch zusammengefaßt
Jörg Fischer

Es gab das Versprechen, nicht für die Schulden anderer Staaten einstehen zu müssen, wenn man die D-Mark aufgibt. Trotzdem verteidigt eine große Koalition vehement die Beibehaltung der Währungsunion. Diese Allianz reicht von Globalisierungskritikern und Gewerkschaften über Intellektuelle bis hin zum Finanzkapital und der deutschen Großindustrie.“ So treffend faßte kürzlich der frühere Greenpeace-Geschäftsführer Thilo Bode in der taz die Frontstellung in der Euro-Debatte zusammen. Auch die politische Entente für die Euro-Rettungsschirme ist hochgerüstet, nachdem Grüne und SPD angekündigt haben, im Bundestag mit den ansonsten heftig attackierten Regierungsfraktionen zu marschieren.

Daß der Marsch der vereinten Euro-Truppen geradewegs in den Untergang führt, davon sind die fünf Professoren Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider, Dieter Spethmann und Joachim Starbatty seit vielen Jahren überzeugt. „Das Euro-Abenteuer geht zu Ende – Wie die Währungsunion unsere Lebensgrundlagen zerstört“ ist daher auch der passende Titel ihres neuen gemeinsamen Buches, das sie am Montag im Berliner Hotel Adlon den interessierten in- und ausländischen Medien vorstellten.

Die Ökonomen und Juristen bilden eines der wenigen Widerstandsnester gegen den „Götzen Währungsunion“ und die begonnene „Höllenfahrt“, wie Nölling es formulierte. Europa stehe mit Euro-Rettung und Transferunion am Rubikon, warnte Hankel. Das Römische Reich sei vor 2.000 Jahren eine Diktatur geworden. Heute gehe es darum, ob die EU ein Bund unabhängiger Staaten bleibe oder eine „Sowjetunion light“ werde. Kommissare und Räte gebe es ja schon. Doch Cäsar habe seine Herrschaft wenigstens durch ein stabiles Geld legitimiert: die Einführung des Goldstandards. In der Euro-Zone drohe hingegen heute eine Geldwertaufweichung.

Der frühere langjährige Thyssen-Chef Spethmann sorgt sich ebenso um die Geldwertstabilität. Die D-Mark – eine Papierwährung – habe seit 1969 eine Aufwertung um etwa 200 Prozent erfahren. Sie habe der Finanzierung der Realwirtschaft gedient. „Das Eurosystem schädigt Deutschland, und zwar in einem bisher unvorstellbaren Ausmaß“, kritisierte Spethmann angesichts der Verschuldungspolitik und mit Blick auf die Generation seiner Enkelkinder. Auch die von der Politik propagierte private Altersvorsorge setzte eine stabile Währung voraus. Die verordneten „Heilmittel“ der EU brächten Griechenland und den anderen Schuldnerstaaten nicht verlorene Wettbewerbsfähigkeit zurück: „Man kann nicht zahlen – heute nicht, morgen nicht und übermorgen nicht.“

Die Währungsunion müsse daher auf ihren stabilen Kern reduziert werden: „Entweder schrumpft sich die Euro-Zone gesund oder ich gebe dem Euro noch eine begrenzte Lebensfrist“, prognostizierte Starbatty. „Zwei Jahre hält’s noch.“ Nölling kann sich sogar vorstellen, daß die 17 Euro-Staaten nur noch einige Monate zusammenhalten. Das Gerede von der „unkündbaren Schicksalsgemeinschaft“ bedeute das unbegrenzte Einstehen für die Schulden anderer Länder, so Starbatty. Der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit lasse sich nicht ausgleichen. Er kenne kein Land, „das einen Wettbewerbsnachteil von plus/minus 40 Prozent durch internes Sparen wettmachen konnte“. Die Krisenstaaten müßten den Euro aufgeben, sonst drohe eine Überforderung der Zahlerländer. Schwächstes Glied sei Frankreich, das schon jetzt um seine AAA-Bonität bangen müsse: „Wenn die einknicken, knicken wir auch ein.“ Ob die Franzosen Teil der Euro-Zone bleiben werden, sei längst nicht ausgemacht, sagte Starbatty mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2012, bei denen Marine Le Pen (Chefin des rechten Front National) dies zum Wahlkampfthema machen werde.

Der Staatsrechtler Schachtschneider sorgt sich vor allem um Freiheit und Demokratie in Deutschland. Durch die Euro-Rettungspolitik würden die Rechte des Parlaments ausgehebelt. Es drohe ein „Staatsstreich der politischen Klasse“ (so der Untertitel seines ebenfalls vorgestellten Buches), um so zum Bundesstaat Europa zu kommen. Dafür sei aber laut Grundgesetz eine Volksabstimmung erforderlich. Und vor dem Referendum fürchten sich die Politiker, so Schachtschneider, denn sie könnten dabei wohl nicht mit der Zustimmung des deutschen Volkes rechnen.

Foto: Euro-Kritiker Hankel, Nölling, Schachtschneider, Spethmann und Starbatty bei ihrer Buchvorstellung in Berlin: „Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende!“

Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling u.a.: Das Euro-Abenteuer geht zu Ende. Kopp Verlag, Rottenburg 2011, gebunden, 252 Seiten, 19,95 Euro

Karl Albrecht Schachtschneider: Die Rechtswidrigkeit der Euro-Rettungspolitik. Kopp Verlag, Rottenburg 2011, gebunden, 254 Seiten,19,95 Euro

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