© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/11 / 09. September 2011

Atemberaubend
Die Buchhändlerin Anna von Boetticher betreibt einen ausgefallenen Extremsport: Apnoetauchen
Fabian Flecken

Tauchen kann fast jeder. Für ein paar Sekunden abtauchen oder in der Südsee  herumschnorcheln – kein Problem. Ganze sechs Minuten die Luft anhalten und mit einem einzigen Atemzug in eine Tiefe von über 130 Metern hinabtauchen ist etwas anderes. Wer kann so etwas? Delphine oder Wale? Apnoetaucher zum Beispiel. Das Wort leitet sich aus dem griechischen „Apnoe“ ab, was soviel wie Nichtatmung oder Atemstillstand bedeutet und die Phase zwischen Ein- und Ausatmen begrifflich umschreibt.

Bei jener Sportart, die auf deutsch  salopp als „Freitauchen“ bezeichnet wird, bedient sich der Taucher nur aus seinem durch den letzten Atemzug gewonnenen Luftvorrat. Begaben sich in den vergangenen Jahrhunderten diesbezüglich talentierte Freitaucher vor allen Dingen auf die Suche nach Muscheln oder Perlen, so hat sich aus dem zweckgebundenen Tauchen in den letzten Dekaden ein ernstzunehmender Leistungssport entwickelt.

Genau hier kommt die Berlinerin Anna von Boetticher ins Spiel, die sechs Minuten ohne Luftzufuhr unter Wasser zu überstehen vermag. Die 40jährige Buchhändlerin und Extremsportlerin aus Kreuzberg gibt zu, daß ihr Sport „etwas Bizarres hat, weil es den Menschen fremd ist, lange unter Wasser zu sein, ohne zu atmen“.

Aufmerksam wurde sie auf ihre Begabung im Alter von 14 Jahren, als die Teenagerin auf einem familiären Segel-ausflug von Bord gegangenes Besteck aus 16 Metern Tiefe problemlos zurück ans Tageslicht beförderte. Nach einigen Jahren des „normalen“ Gerätetauchens kam sie während ihres Studiums in London erstmals mit dem Apnoetauchen in Berührung.

In einer britischen Marinebasis, in der U-Boot-Besatzungen Einsätze proben, schaffte sie es nach einem Training von zwei Stunden, in eine Tiefe von 28 Metern hinabzutauchen. Seitdem verschmäht die Wassersportlerin Atemgeräte und widmet sich ausschließlich dem Apnoetauchen. Den Gefahren der Extremsportart ist sich Anna von Boetticher durchaus bewußt, auch wenn sie die Risiken für ihre Person einschränkt. Der Sport sei sicher, wenn er verantwortungsvoll betrieben werde, sagte die attraktive Blondine in der FAZ. „Es gibt keinen Grund, dabei zu sterben. Ich setze mein Leben nicht aufs Spiel und achte genau auf meine Grenzen.“

Dennoch versterben immer wieder Apnoetaucher an Selbstüberschätzung. Einen Weltrekordversuch in der Dominikanischen Republik bezahlte 2002 eine Französin mit ihrem Leben – eine Kombination aus technischem Versagen und mangelnden Sicherheitsvorkehrungen. Anna von Boetticher schließt dies für sich und ihr Team aus.

Trotzdem war es ein Wagnis vor einigen Wochen im ägyptischen Scharm al-Scheich, den Weltrekord in der Disziplin Tieftauchen mit Monoflosse anzugehen. Hierbei erfolgt der Aufstieg im Wasser aus eigener Kraft und nicht durch technische Hilfsmittel, das Gewicht zum Abtrieb ist auf 30 Kilogramm beschränkt.

Leider mißlang es von Boetticher, den Weltrekord der Schwedin Annelie Pompe von 126 Metern zu knacken.   Ihr Zwerchfell zog sich zusammen – ein Warnsignal für den mit Sauerstoff unterversorgten Körper. Die Apnoe-Taucherin mußte von Helfern an die Oberfläche transportiert werden und verlor für Minuten das Bewußtsein. Zum ersten Mal in ihrer Laufbahn. Zwei Tage später war sie wieder unter Wasser, allerdings nur in 25 Metern Tiefe. Ohne Sauerstoffflasche auf dem Rücken, versteht sich.

 http://annavonboetticher.blogspot.com/

Foto: Auf Tauchstation: Ein Gewicht sorgt vor der türkischen Mittelmeerküste für den nötigen Abtrieb

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