© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/11 / 16. September 2011

Schwitzkasten der Amerikaner
Finanzplatz Schweiz: Washington will die Eidgenossen zur Aufgabe des Bankgeheimnisses zwingen / Abkommen mit Deutschland
Joachim Feyerabend

Während der harte Franken den Exporteuren die Gewinne schmälert, droht auch andernorts Ungemach: Die überschuldeten USA haben den eidgenössischen Banken den Krieg erklärt. Das Ziel: Offenlegung aller Geheimkonten von US-Bürgern in der Alpenfestung. Der Streit um Kundenberater als Fluchthelfer mit Wissen und Duldung der Chefetagen nimmt somit eine neue Dimension an, denn gegenwärtig laufen neue, handfeste Klagen und bringen den Finanzplatz Schweiz weiter in Bedrängnis. Vorige Woche wurde ein Ultimatum gestellt, wonach unverzüglich die Konten von US-Steuerflüchtigen offenzulegen seien.

Der New Yorker Staatsanwalt Kevin Downing kündigte an, daß es allen amerikanischen Steuersündern „an den Kragen“ gehen soll. Die US-Justiz wirft den diskreten Geldjongleuren vor, seit den fünfziger Jahren und über zwei Generationen hinweg systematisch Schwarzgelder in einer Art krimineller Verschwörung zur Steuerflucht angeworben und versteckt, mithin Milliardenschäden für den Fiskus verursacht zu haben.

Insgesamt ist der Ruf des diskreten Finanzplatzes dadurch weiter angeschlagen, Kundengelder in Milliardenhöhe sind bereits abgeflossen. Noch demonstriert die Bankbranche Geschlossenheit: Ein Staatsabkommen nach dem Muster der letzten Übereinkunft mit der Bank UBS dürfe es nicht mehr geben. Mit ihm wurden Daten preisgegeben und hohe Bußgelder bezahlt. Letzte Woche lieferte Credit Suisse (CS) in Abstimmung mit der Regierung und als Antwort auf das Ultimatum statistische Daten über die Größenordnung der angelegten Gelder. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf betonte ausdrücklich, es handle sich um keine Kontoauskünfte.

Die Behörden in Bern streben eine generelle Übereinkunft über eine Abgeltungssteuer für nicht deklarierte Gelder an, wie sie im August mit Deutschland geschlossen wurde. Darin verpflichtete sich Helvetien zur Zahlung von Milliardenbeträgen – die SPD-Finanzminister wollen den „Ablaßhandel für Steuerhinterzieher“ (NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans/SPD) aber im Bundesrat stoppen bzw. verschärfen.

Zur Zeit häufen sich in den USA die Klagen. Die Führungskader der Banken Julius Bär und Sarasin dürfen aus Furcht vor Festnahmen nicht mehr in die USA reisen. Viele helvetische Banker wagen überhaupt keine Auslandsreisen mehr, da sie fürchten, auf Betreiben der USA auch in anderen Ländern inhaftiert zu werden. Im Fokus der Ermittler stehen UBS und CS, beide weltweit führende Vermögensverwalter. Aber auch Kantonalbanken wie die Basler und die Zürcher Kantonalbank sowie die Privatbanken Wegelin und Maerki sind ins Visier geraten. Sogar die Schweizer Tochter der Bank Leumi aus Israel wird genannt. Die CS kündigte bereits an, sich aus den USA zurückzuziehen und sich dem Fernen Osten zuzuwenden.

Als Modellfall für die verschlungenen Fluchtwege des Geldes gilt die Aufdeckung einer Transaktion des Schweizer Treuhänders Beta Singenberger. Er – so ermittelten die US-Behörden – eröffnete im Jahr 2000 bei der UBS ein undeklariertes Konto und zahlte 1,5 Millionen Dollar ein. Die Manager der UBS empfahlen eine Kontoeröffnung bei der Firma Sinco des Treuhänders, um neuen gesetzlichen Bestimmungen aus dem Weg zu gehen. Simco riet sodann dem Kunden A die Gründung einer anonymen Firma auf den Virgin Islands, um den Nutznießer des UBS-Kontos zu verdecken. Das Konto lautete nun auf eine Lucky Overseas Ventures Ltd, deren Präsident Singenberger ist, in Wahrheit blieb aber der Kunde A Nutznießer.

Nun wurde den US-Behörden erklärt, daß der Nutznießer kein US-Bürger sei. Als die Virgin Islands 2003 mit den USA ein Doppelbesteuerungsabkommen aushandelten, wurde eine neue Lösung erforderlich. Singenberger gründete nun in Hongkong die Great Holdings Ltd und eröffnete bei der UBS ein Konto auf deren Namen. Die Holding gehörte aber nominell der TFV Tango-Stiftung in Liechtenstein. Ihr Nutznießer wiederum war der Kunde A. Die UBS transferierte sodann das Lucky-Guthaben auf die Great Holding. 2005 wurde dem Kunden A aus Sicherheitsgründen empfohlen, das Geld – inzwischen 4,6 Millionen Dollar – bei einer anderen Schweizer Bank anzulegen, die in den USA keine Geschäftstätigkeit hat. Sinco übernahm die Formalitäten und teilte den US-Behörden erneut mit, daß der Nutznießer kein US-Bürger ist. 2008 wurden die Gelder auf eine neue Schweizer Bank transferiert.

Anfang des Jahres wurde in New York gegen vier ehemalige CS-Manager Anklage wegen Verschwörung zur Steuerflucht erhoben, im Juli gegen weitere vier. Die Beweislast, die auf das Geständnis eines reumütigen Steuersünders aus Oklahoma zurückgeht, scheint erdrückend zu sein und führte dazu, daß Verhandlungen um eine Beilegung auf Regierungsebene blockiert sind. Bereits 2009 hatten die Amerikaner die UBS gezwungen, 5.000 Konten offenzulegen und Bußgelder von 760 Millionen Dollar an den US-Fiskus abzuführen. Der Reputationsverlust war ungleich höher. Das gesetzlich verankerte Schweizer Bankgeheimnis wurde damit arg durchlöchert. Es geriet vollends zur Makulatur, als Mitte Juli das oberste Gericht in Lausanne entschied, daß die Herausgabe von Kundendaten durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht im Fall der UBS kein Verstoß gegen die Gesetze gewesen sei. Die Richter verwiesen auf die sogenannte polizeiliche Generalklausel, wonach Gesetze außer Kraft treten, wenn ein Notstand eintritt, nationale Sicherheit und Interessen in Gefahr sind, und sahen diesen Ernstfall durch einen drohenden Konkurs der UBS bei Nichtbefolgung der US-Anfrage gegeben.

Dem angeschlagenen Institut waren bereits 2009 Gelder verängstigter Kunden in Höhe von 39 Milliarden Euro verlorengegangen. Und schon fassen die Amerikaner bei der CS nach und verlangen die Preisgabe von etwa 6.000 bis 8.000 Kundendaten, die für ein Anlagevolumen von bis zu zwei Milliarden Euro stehen.

Insgesamt, so schätzt die Boston Consulting Group, lagen 2007 rund 27 Prozent aller ausländischen Geldvermögen in der Schweiz. Das entspricht einer Gesamtsumme von 1.500 Milliarden Euro. Aber auch die Steuerparadiese Großbritanniens verwalten über 730 Milliarden Euro in Plätzen wie den Kanalinseln oder der Isle of Man. Nach Schätzungen der OECD sind in den weltweiten Steueroasen von den Kaiman­inseln bis Singapur sogar über acht Billionen Euro gebunkert – Grund genug für die Fiskalbehörden der Fluchtländer im Zeichen knapper Haushalte, entsprechende Ermittlungen voranzutreiben. Das gilt insbesondere für Italien und Griechenland, denn zahlreiche wohlhabende Bewohner karrten angesichts des Angriffes der Rating-Agenturen flugs ihr Geld über die Grenze.

Foto: US-Druck auf den traditionellen Finanzplatz Schweiz: Über ein Viertel aller ausländischen Geldvermögen – etwa 1.500 Milliarden Euro – lagern in der Eidgenossenschaft

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