© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/11 / 23. September 2011

Grüße aus Rom
Dolce vita der Parlamentarier
Paola Bernardi

Niemand kann sie übersehen: die „blauen“ Dienstwagen mit den verdunkelten Scheiben: Sie stehen im Parkverbot vor Restaurants, vor Hotels oder vor teuren Boutiquen. Sie brausen zu jeder Zeit des Tages durch die Straßen von Rom und blockieren den Alltagsverkehr. Und jeder weiß, in diesem Auto sitzt ein „Onorevole“ (ein Parlamentarier), manchmal allerdings auch nur die Ehefrau oder die Sekretärin. Dieser Dienstwagen, dieses Statussymbol, steht allen Amtsträgern bis hinunter auf Gemeindeebene zur Verfügung.

Die Polemik gegen die Privilegien der Parlamentarier ist alt. Doch nachdem dem Land ein drastisches Sparprogramm verordnet wurde, das von allen erhebliche finanzielle Opfer fordert, schaut die Öffentlichkeit genauer hin, was ihre Abgeordneten so treiben.

Einer der ersten, der die harte Kritik wegen seines „Fuhrparks“ ertragen mußte, war ausgerechnet der 86jährige italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano, dem von der Lega Nord vorgeworfen wurde, daß er allein 40 „blaue“ Autos zur Verfügung hätte. Sofort wehrte sich die Präsidentschaftskanzlei und präzisierte, daß es „nur 35“ wären.

Es scheint, daß derzeit die italienischen Bürger sensibler und wütender auf die Sonderrechte ihrer Volksvertreter reagieren. Angestachelt werden sie vom Blogger Spider Truman, der über Nacht Furore machte. Er prangert genüßlich „die Geheimnisse der Politikerkaste“ an. Spiderman erlebt ein gewaltiges Echo: Tausende folgen seinem Blog. Er plaudert täglich aus dem Nähkästchen. Nicht nur, daß die italienischen Abgeordneten die höchstbezahlten Europas mit 13.800 Euro monatlich sind; bei Senatoren steigt der Betrag sogar noch um 800 Euro.

Viel tun müssen sie dafür nicht, arbeitet doch ein Parlamentarier nur rund 15 Stunden die Woche, ein Senator lediglich 40 Stunden im Monat. Hinzu kommen noch all die sonstigen Vergünstigungen, wie kostenlose Theater- und Fußballspiele, ebenso kostenlose Reisen mit Zug, Bahn und Flugzeug. Spiderman – er soll angeblich nach 15 Jahren seinen Job als Angestellter in der Abgeordnetenkammer verloren haben –, macht sogar genüßlich öffentlich, daß es neun Herrenfriseure im Abgeordnetenhaus gibt, die den Steuerzahler allein 11.000 Euro im Monat kosten. Erstmals wurde auch publik, wie fürstlich und billig Abgeordnete speisen können: Zum Beispiel kostet Rinder-Carpaccio lediglich 2,76 Euro. Wenn das kein dolce vita ist.

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