© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/11 / 23. September 2011

Elektromobile auf der Internationalen Automobil-Ausstellung
Wir sind keine Stromer
Michael Manns

Es war am 18. Mai anno 2011. An einem großen, hellbraunen, ovalen Konferenztisch hatten sich die mächtigsten Männer und Frauen des Staatswesens versammelt; versunken in schweren, schwarzen Lederfauteuils. Sie blätterten in ihren Märchenbüchern und beschlossen: Bis zum Jahr 2020 sollten die Untertanen eine Million Elektroautos fahren. Motto: Leise wollen wir alle fahren, angetrieben von gutem Strom und weg vom bösen Öl. So ist sie, die Märchenwelt der Politik. Märchen sind ein Kulturgut, aber für die Steuerung gesellschaftlicher Prozesse sind sie ungeeignet.

Auch auf der Automesse IAA heißt es: Weg vom Stinker – hin zum Stromer. Bald würden die Batterien kleiner, leichter und billiger sein. Koste das Elektroauto erst mal soviel wie eines mit Verbrennungsmotor, sei es klar im Vorteil. Strom tanken sei um die Hälfte billiger. Endlich gebe es E-Autos auf dem Markt, die sich der Prüfung durch den Kunden stellen. Weitere werden folgen.

Das ARD-Morgenmagazin hat den Test gemacht: Eine Fahrt von Köln zur IAA nach Frankfurt. Doch nach 80 Kilometern gaben die Akkus den Geist auf. Eine „Strom-Tanke“ wurde gefunden (gibt es ja an jeder Ecke!) und acht Stunden Station in einer Herberge gemacht (wegen der Ladezeit). Nach einer weiteren Etappe gab der Tester in Limburg auf und bestieg dort den ICE. Immerhin erreichte er bis dahin eine Reisegeschwindigkeit wie zu Zeiten von Goethe.

Eine Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und der Deutschen Bank kommt daher zu dem wenig überraschenden Ergebnis: Einen schnellen Durchbruch wird es für die Stromer nicht geben. Es sind im wesentlichen vier Punkte, die die Revolution verhindern: Die E-Karren sind teurer als die Benziner, die Batterien haben eine zu lange Ladezeit, die Reichweite ist miserabel, und ein „Tankstellennetz“ ist nicht in Sicht.

Spricht man mit Autoverkäufern und fragt sie nach der Bedeutung der E-Mobile, so erntet man verständnislose Reaktionen, als würde man eine bevorstehende bemannte Raumfahrt zur nächsten Galaxie ankündigen. Denn die Realität sieht völlig anders aus.

Etwa 42 Millionen Pkw sind in Deutschland zugelassen. Aktuell sind nicht einmal 1.500 Elektroautos unterwegs. Und was kaufen die Deutschen stattdessen? Im Zeitraum Januar bis Juli 2011 steigerten sich die Zulassungszahlen in der Klasse der Großraumlimousinen (Vans) um 46 Prozent, bei den Minivans um 36 Prozent. Auch die schweren Geländewagen (SUV) sind als Familienautos angesagt: plus 33 Prozent. Es wird noch Zeit brauchen, bis die E-Gefährte mehr sind als Pendlerkisten und Drittautos für grünwählende Gutbetuchte. In der Geschichte des Menschen gibt es Erfindungen, die kaum noch zu verbessern sind: das Feuer, das Rad, das Messer. Der Verbrennungsmotor hat weiteres Entwicklungspotential – er wird uns noch viele Jahre begleiten.

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