© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/11 / 23. September 2011

„Made in Germany ist unsere Stärke“
Interview: Liqui-Moly-Chef Ernst Prost über das internationale Motorölgeschäft in Zeiten der Euro-Krise
Wolfhard H. A. Schmid

Herr Prost, Ihre Firma hat sich als Schmierstoffspezialist voll auf das Auto spezialisiert und produziert ausschließlich in Deutschland. Warum folgen sie nicht dem Trend zu Auslandsgründungen?

Prost: Wir gehen über den Export ins Ausland. In über 90 Ländern der Welt haben wir Liqui Moly als starke Marke im internationalen Motorölgeschäft etabliert. Aber produzieren tun wir nur in Deutschland. „Made in Germany“, das ist unsere Stärke im Exportgeschäft!

Wie groß ist Ihr Unternehmen?

Prost: Meine 550 Mitarbeiter sind meine Kollegen und Mitunternehmer. Ich beteilige sie am Unternehmenserfolg. Als Motivation wurde bereits im Juli die Erfolgsbeteiligung für das Jahr 2011 ausbezahlt. Bei einem Umsatz von über 300 Millionen Euro beträgt unser Exportanteil etwa 40 Prozent.

Welche Investitionspläne haben Sie?

Prost: Mit Ulm und der Firma Méguin in Saarlouis haben wir zwei Standorte in Deutschland, wo wir produzieren. Gerade war in Saarlouis die Grundsteinlegung für unser neues Tanklager für Rohstoffe mit einer Kapazität von 16.000 Tonnen und einem Investitionsvolumen von acht Millionen Euro. In Rostock werden wir jetzt den dritten Standort errichten. Zur Zeit finden dort die Finalgespräche mit den Behörden statt.

Befürchten Sie nicht, daß die Euro-Krise ihre Pläne bremsen könnte?

Prost: Nein! Wir entwickeln unsere Firmenkonzepte unabhängig von der Entwicklung der Weltwirtschaft. Die Euro-Krise ist eine Finanz- und keine Wirtschaftskrise. Die Menschen haben ihre Bedürfnisse, und das Auto ist ein weltweites Bedürfnis, und danach richten wir uns.

Deutschland ist ein rohstoffarmes Land. Spekulanten treiben die Preise, Experten warnen vor Produktionsengpässen. Droht auch für Sie eine kritische Situation?

Prost: Ja, das ist eine enorme Problematik! Fakt ist, daß die Welt hungrig nach Rohstoffen ist. Öl ist auch ein Rohstoff, und durch die Verknappung tendieren die Preise nach oben. Aber „Made in Germany“ wird diese Entwicklung aufheben. Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, daß durch solche Krisen die Innovationskraft in Deutschland Aufwind bekommt.

Ihre neue grün-rote Landesregierung mit einem Ex-Kommunisten an der Spitze will einen „Politikwechsel“ verwirklichen. Erwarten Sie Auswirkungen für Ihre Firma?

Prost: Den Menschen war es schon immer egal, wer gegen sie regiert hat. Alle Extremen haben Firmen nie zum Erfolg geführt. Entscheidungen werden von Menschen in den Unternehmen oder wenn es sein muß auch auf der Straße getroffen. Ich würde deshalb die Vorsätze von Provinzregierungen nicht allzu hoch ansetzen.

Wie beurteilen Sie die von der Bundesregierung beschlossene „Energiewende“?

Prost: Unabhängig von der Berliner Entscheidung werden weltweit viele neue Atomkraftwerke gebaut. Entscheidend ist, daß die Energiequellen unschädlich sind. Deswegen muß der Weg zu „sanften Energien“, wie ich sie bezeichnen möchte, von großem Sachverstand begleitet werden. Der Energiehunger der Welt darf sie nicht zerstören, das muß im Bewußtsein der Menschheit verankert werden.

Viele EU-Richtlinien führen zu größerem bürokratischem Aufwand. Was halten Sie beispielsweise von der Chemikalienverordnung REACH, die ihre Firma betrifft?

Prost: REACH ist richtig! Grundsätzlich müssen Auflagen sein, um durch Kontrollen Gefahrenstoffe zu erkennen und ihre Verbreitung zu verhindern. Natürlich bekommt eine solche Verordnung durch die deutsche Bürokratie ein Eigenleben, das für die Betroffenen einen zusätzlichen Aufwand erfordert.

Teile der Wirtschaft fordern Zuwanderung, um den Mangel an Fachkräften abzudecken. Andererseits leben in Deutschland schon heute Hunderttausende Einwanderer, die auf dem Arbeitsmarkt nicht zu vermitteln sind – ein Widerspruch?

Prost: Qualifikation ist unabhängig von der Nation. Wir haben in Deutschland sehr wohl einen Mangel an qualifizierten Leuten, weil mehr Menschen sterben als geboren werden. Schauen Sie, als die EU im Mai die Grenzen für Polen und andere Mitgliedsländer öffnete, hatten viele in Deutschland Sorge, daß wir mit Arbeitssuchenden überschwemmt werden. Was ist passiert? Im ersten Monat sind 10.000 und im zweiten nur 5.000 Fachkräfte zu uns gekommen, viel weniger als erwartet. Diese Zahlen werden bei weitem von ausgewanderten Experten übertroffen. Als Beispiel möchte ich die Ärzte nennen, die in anderen EU-Ländern wesentlich bessere Arbeitsbedingungen antreffen.

Mit einem Anteil von über 60 Prozent am Bruttoinlandsprodukt ist die mittelständische Wirtschaft ein entscheidender Wirtschaftsfaktor in Deutschland. Wegen ihrer heterogenen Struktur kommt sie in der Öffentlichkeit aber nur selten zu Wort.

Prost: Das ist höchst bedauerlich, aber es ist so! 80 Prozent der Arbeitskräfte sind in der mittelständischen Wirtschaft tätig. 80 Prozent des Steueraufkommens kommt von ihr, weil die Großkonzerne ihre Standorte an steuerlich wesentlich günstigeren Standorten haben. Schade, daß wir kein „dramatisches“ Gehör finden, weil wir nicht schlagkräftig sind.

Manche Familienunternehmen scheitern am Generationswechsel. Haben Sie dafür schon Vorkehrungen getroffen?

Prost: Ich bin noch jung und habe mich damit noch nicht befaßt.

 

Liqui Moly GmbH Ulm

Begonnen hat alles im bayrischen Wallfahrtsort Altötting, wo er vor 54 Jahren geboren wurde. Nach dem Realschulabschluß und der Lehre als Kfz-Mechaniker geht er 1978 zum Autopflegemittelhersteller Sonax, wo er es bis zum Verkaufsleiter brachte. 1990 wagte sich Ernst Prost in die Selbständigkeit: durch den schrittweisen Kauf der Liqui Moly von der Unternehmerfamilie Henle. 2006 ersteigert er das Schloß Leipheim bei Ulm, die Sanierung wurde mit dem Günzburger Heimatpreis ausgezeichnet. Über 90.000 Leser der Zeitschrift Auto Motor Sport kürten Liqui Moly in diesem Jahr zur besten Marke in der Kategorie Schmierstoffe. Im Februar gründete er die Ernst-Prost-Stiftung, die Menschen, die durch einen Unfall aus der Bahn geworfen wurden, neuen Lebensmut geben soll.

Foto: Liqui-Moly-Labor: „Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, daß durch solche Krisen die Innovationskraft in Deutschland Aufwind bekommt“

 

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