© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/11 / 23. September 2011

Fesche Wäsche
Dirndl liegen im Trend – nicht nur auf der Wiesn
Werner Becker

Auf dem Oktoberfest sind sie allgegenwärtig, aber auch auf dem roten Teppich prominenter Empfänge und Ballabende konnte man sie schon bestaunen. Das Dirndl, die klassische Wiesn-Tracht, ist mächtig im Kommen. Wer dabei an „Heidi“ – eine Dirndl tragende Romanfigur Johanna Spyris – und die Alm denkt, liegt falsch. Denn für die Arbeit in den Bergen sind die modischen Designerstücke von Lola Paltinger oder von Dirndlherz sicherlich nicht geeignet.

Diese strotzen nur so von Extravaganz, Farben und feinen Stoffen. Die Kreativen bemühen sich, das Trachtenkleid aus der Traditionsecke herauszuholen und ihm zu einem positiven Image zu verhelfen. Gabriela Urabl, die Modeschöpferin von Dirndlherz, hat es sich zum Ziel gesetzt, das „Dirndl kräftig zu entstauben und auch für urbane Events salonfähig zu machen“. Ihre Dirndl entsprächen „nicht dem traditionellen Kleid, mit dem man auf die Alm zum Jodeln fährt“, sagt die gebürtige Kärtnerin selbstwußt.

Urabls kontrastreiche Kollektionen haben einen familiären Hintergrund: „Mein Vater war eher konservativ und wollte Sonntag immer, daß wir Dirndl tragen. Meine Mutter war Textildesignerin und Schneiderin, sie ist das genaue Gegenteil und animiert mich immer, möglichst wilde Entwürfe zu wagen.“ Das tat sie, indem sie das einfache Trachtenkleid des Vaters mit glitzernen, funkelnden Applikationen der Mutter „kreuzte“. Für Journalistinnen hat sie sich übrigens eine Besonderheit einfallen lassen: ein Dirndl mit zeitungsbedrucktem Stoff.

Auch Tanja Pflaum, die Inhaberin und Designerin von Ploom, möchte klassische Trachtenmode auf frische Art und Weise neuinterpretieren. Ihre Corsagendirndl aus Baumwolle sind nicht nur betont modern gehalten, sondern werden auch von Mannequins entsprechend inszeniert. Keine biederen Heidizöpfe mehr – die Models sind grell geschminkt, man merkt ihnen an, daß diese Mode Spaß macht. Dagegen sind die Entwürfe der Modedesignerin Lena Hoschek so weiblich-verspielt, daß man sich in die fünfziger Jahre und den Glamour der Pin-up-Girls zurückversetzt fühlt. Hohe Taillen, figurbetonte Kleider und florale Stoffe dominieren. Sogar auf der Berliner „Mercedes-Benz Fashion Week“ 2011 wurden ihre Kleider präsentiert.

Wenn es um Trachtenmode geht, kann Trentini Couture nicht unerwähnt bleiben. Schon das Markenzeichen – ein Totenkopf mit Geweih – deutet auf die Symbiose aus Moderne und Tradition hin. Die Modeschöpferin Julia Trentini greift auf bekannte Formen und Muster bayerischer Folklore zurück, unübersehbar sind die volkstümlichen Einflüsse des Balkans. Ihre Dirndl, Blazer, Röcke, Mieder und Schürzen sollen „zurückhaltende Noblesse und unbändige Feurigkeit“ vereinen. Seit 2008 bietet sie zudem Brautdirndl an, die nicht nur für rustikale Bauernhochzeiten taugen.

Natürlich ist die Trachtenmode – außer auf dem Oktoberfest – längst kein Massenphänomen. Dennoch haben pfiffige Designerinnen wie Julia Trentini erkannt: „Landlust ist en vogue. Trachten sind Trend.“ Über die Grenzen von Bayern und Österreich hinaus, wo die Tracht bereits wieder alltagtauglich scheint.

Die Dirndl-Konjunktur mag teils von der romantisch-verklärten Sicht heutiger Großstadtfrauen auf das Dorfleben herrühren, teils eine tatsächliche Sehnsucht nach Natürlichkeit und Weiblichkeit widerspiegeln. Oder sie stammt aus dem teuflischen Modezyklus selbst, dem man nach Karl Lagerfeld nicht entrinnen kann: „Denn auch wenn die Mode aus der Mode kommt, ist sie schon wieder Mode.“

Foto: Gut betucht: Das türkisgrüne Dirndl „Veruschka“ mit Glitzerbluse und Schürze kostet schlappe 2.450 Euro

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