© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/11 / 30. September 2011

Auf das falsche Pferd gesetzt
Berlin: Nach der Pleite bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus rücken Pro Deutschland und Die Freiheit von der Islamkritik als Hauptthema ab
Marcus Schmidt

Das Abschneiden der beiden islamkritischen Parteien Pro Deutschland (1,2 Prozent) und Die Freiheit (1 Prozent) bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus hat nicht nur in Berlin im konservativen und islamkritischen Lager für Ernüchterung gesorgt. So sehr die Protagonisten auch von der Gefahr durch die zunehmende Islamisierung Deutschlands und Europas überzeugt sind, so wenig scheint das Thema für die überwiegende Mehrheit der Bürger derzeit wahlentscheidend zu sein. Um so lauter wird in beiden Parteien und deren Umfeld die Forderung, die Zersplitterung zu überwinden.

Der Vorsitzende von Pro Deutschland, Manfred Rouhs, machte in der vergangenen Woche seine Ankündigung vom Wahlabend wahr (JF 39/11) und bot dem Vorsitzenden der Freiheit, René Stadtkewitz, in einem Offenen Brief Gespräche über eine Zusammenarbeit an. Auch die Vorsitzenden der Deutschen Konservativen Partei und der Freien Wähler Deutschland (beide erreichten 0,1 Prozent) erhielten Post.

„Zumindest in Berlin sollte es jetzt möglich sein, unser Potential zu bündeln“, schreibt Rouhs und lädt die Mitglieder der genannten Parteien zum wöchentlichen Stammtisch des Berliner Landesverbandes ein. Die Parteivorsitzenden werden von Rouhs darüber hinaus zu einem persönlichen Gespräch gebeten: „Es gilt, die Sache über persönliche Animositäten zu stellen. Wir müssen für unsere politische Arbeit eine gemeinsame Basis finden“, heißt es in dem Brief weiter.

Daß diesem Gesprächsangebot, das sich vor allem an Stadtkewitz richtet, ein Erfolg beschieden sein wird, gilt angesichts der mehrfach deutlich gemachten klaren Abgrenzung der Freiheit von Pro Deutschland als ausgeschlossen. Und in der Vergangenheit hat sich in ähnlichen Situation zudem oft genug gezeigt, wie schwierig es ist, Rechtsparteien überhaupt unter einen gemeinsamen Hut zu bringen – egal wie nahe sie sich
programmatisch auch standen.

Eines haben beide Gruppierungen in den Tagen nach der Wahl gemeinsam: Bei der Freiheit und bei Pro Deutschland wachsen die Zweifel, ob das Thema „Islamisierung“ bei Wahlen in Deutschland tatsächlich als Wahlkampfthema taugt. Bereits in der vergangenen Woche hatte Stadtkewitz das Thema als wichtig, aber undankbar bezeichnet. Und auch bei Pro Deutschland ist man sich nun nicht mehr sicher, auf das richtige Thema gesetzt zu haben. Es sei eine strategische Fehlentscheidung gewesen, die Islamisierung zum Hauptthema zu machen, räumt Rouhs ein. Künftig werde Pro Deutschland sich auf Themen konzentrieren, die der Bevölkerung deutschlandweit über die Medien bekannt seien, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. Als Beispiel nannte er die Euro-Krise. Daneben würden originär Berliner Themen treten. Zudem werde man die Arbeit im kleinen intensivieren: „Wir haben unterschätzt, was man in Berlin mit kleinen Aufklebern erreichen kann“, sagte Rouhs. Derzeit sei etwa ein Aufkleber mit der Aufschrift „Tierschutz statt Halal“ in Vorbereitung.

Mit Blick auf den Erfolg der Piratenpartei sieht Rouhs zumindest in Berlin für die nächsten Jahre die Erfolgsausichten für andere Protestparteien als eher gering an. „Wenn die Partei sich nicht selbst zerlegt, wird sie das Protestfeld in den nächsten Jahren blockieren“, sagte er.

Die Freiheit plant unterdessen bereits den nächsten Wahlkampf. Der Landesverband Schleswig-Holstein bekräftigte in der vergangenen Woche seine Absicht, bei der Landtagswahl im kommenden Jahr trotz des Fehlstarts der Partei bei der Berliner Wahl anzutreten. „Schleswig-Holstein ist nicht das links-dominierte Berlin und weder die Hartz-IV- noch die Kriminalitäts-Hauptstadt Deutschlands“, heißt es in einer Erklärung des Landesvorstandes. Auch habe man im Norden kein solch massives Problem mit schlecht integrierten Zuwanderern und gewaltbereiten Linksautonomen wie in Berlin. „In unserem Schleswig-Holstein ticken die Uhren glücklicherweise anders und darum lieben wir alle unser ‘Land der Horizonte’ ebensosehr wie unsere Freiheit.“

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