© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/11 / 30. September 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Der nette Herr Rösler
Marcus Schmidt

Die Biographien aktiver Politiker, zumal wenn sie von den Betreffenden „autorisiert“, also quasi abgesegnet sind, bieten in der Regel wenig Substantielles und dafür um so mehr Parteitagsprosa. Meist sind die Bücher nach der medienwirksamen Vorstellung durch einen anderen Politiker – im Idealfall aus dem gegnerischen politischen Lager – schnell vergessen und bald ein Fall für das moderne Antiquariat oder das Altpapier.

Zumindest was das Interesse der Medien betrifft, hätte es für Michael Bröckers Buch „Philipp Rösler. Ein Porträt“ nicht besser laufen können. Die Biographie des gerade einmal 38 Jahre alten FDP-Vorsitzenden mit dem Untertitel „Glaube. Heimat. FDP“ wurde am Dienstag ausgerechnet zwei Tage vor der für die schwarz-gelbe Koalition entscheidenden Abstimmung über die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms von der Kanzlerin vorgestellt. Ein Termin, wie für die Hauptstadtpresse gemacht, die denn auch in Scharen in die viel zu enge Katholische Akademie in Berlin-Mitte strömte.

Vermutlich war aber allen bereits im Vorfeld klar, daß Angela Merkel in ihrer knappen Zeit zwischen dem Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou am Vormittag und der Probeabstimmung in der Bundestagsfraktion der Union am Nachmittag, wenig Sensationelles über ihren Vizekanzler berichten würde. So lobte sie die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem angezählten FDP-Chef und versuchte den Eindruck zu zerstreuen, Rösler sei immer nur „nett“, also harmlos, wie ihm in den Medien immer wieder vorgehalten wird.

Die erwartbar belanglosen Aussagen der Kanzlerin werden Böckers Bändchen indes nicht gerecht: Schon aufgrund seiner Herkunft aus einem vietnamesischen Waisenhaus ist die Biographie Röslers, der im Alter von neun Monaten von einem Bundeswehroffizier und dessen Frau adoptiert wurde, für eine Gesellschaft, die in der Endlosschleife über Integration und Einwanderung diskutiert, überaus interessant. Doch Rösler, der sich im Jahr 2000 katholisch taufen ließ, läßt sich, wie Bröcker herausarbeitet, nur sehr schwer in die gängigen Schablonen der Multikulti-Diskussionen pressen. Schon die Tatsache, daß er seine Herkunft aus Vietnam weitgehend ausblendet, irritiert vor allem jene, die ihn als „integraionspolitischen Idealfall“ präsentieren möchten. Und Röslers ausgeprägte Heimatverbundenheit – in seinem Fall mit dem niedersächsischen Bückeburg – sorgt bei manchen Konservativen, die in ihm aufgrund seines Aussehens vor allem den Einwanderer sehen, immer wieder für Erstaunen. Oder wie Bröcker es ausdrückte: In seinen Reden benutzt Rösler das Wort Heimat noch häufiger als der jankertragende CSU-Politiker Peter Gauweiler.

Michael Bröcker: Philipp Rösler. Ein Porträt. Glaube, Heimat. FDP. Benno-Verlag Leipzig, 2011, gebunden, 152 Seiten, 14,95 Euro

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