© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/11 / 30. September 2011

Grüße aus Wien
Auf das Rad gekommen
Carl Gustav Ströhm jr.

Man sagt, daß sich in Wien der Sommer dem Ende zuneigt, wenn alle Baustellen in den Straßen fertig sind. Doch dieser Sommer scheint ewig zu währen, da die Stadt neuerdings neue Fahrradwege in ihre Straßenplanung mit einbezieht. In Wien hat man es nicht gerade leicht als Fahrradfahrer, dachte die rot-grüne Stadtregierung Wiens, und so ließ man sich einmal etwas Neues einfallen. Ein offizieller „Radverkehrsbeauftragter“ soll es nun richten. Martin Blum heißt der Glückliche, der sich unter mehr als 400 Bewerbern durchsetzen konnte und nun Chef der dreiköpfigen Radagentur (Budget knapp eine Million) ist.

Dieses neueste Kind der grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou soll die Radkultur in der Stadt weiterentwickeln und für mehr Bewußtseinsbildung sorgen. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dem Radverkehr in Wien einen massiven Schub zu geben, und schaffen jetzt dafür die strukturellen Grundlagen“, so Vassilakou.

Die Leidtragenden sind seit den Wiener Wahlen im Herbst letzten Jahres die Autofahrer. Da die Grünen eindeutig im Schatten ihres großen Koalitionspartners, der Sozialdemokratischen Partei stehen, beschwichtigte sie Häupl mit dem Verkehrsressort der Stadt Wien. Seitdem ist Autofahren zu einer teuren Angelegenheit in der Stadt geworden. Ziel der Grünen ist es, den Autoverkehr in der Stadt einzudämmen, und hier greifen sie auch zu drastischen Maßnahmen. So will Vassilakou das Zentrum und die Straße um die Wiener Innenstadt komplett autofrei gestalten. Des weiteren soll ab 2012 die Einkaufsmeile in der Mariahilferstraße für Autos komplett gesperrt werden. Zweck dieser Maßnahme ist es, den Verkehr in diesen Teilen der Stadt zu beruhigen. Für die Wiener sind Lösungen à la Radverkehrsbeauftragter oder neue Fußgängerzonen nur ein Tropfen auf den heißen Stein, die zur Wiener Verkehrsproblematik beitragen.

Diese zeigt sich vor allem an den kaum vorhandenen Parkplätzen in der Stadt, die manch Touristen vor schier unlösbare Aufgaben stellen. Doch statt Parkplätze zu schaffen, werden diese entfernt und stattdessen breitere Gehsteige gebaut, um die Autofahrer unter anderem zu einem langsamen Fahren zu motivieren. Hinzu kommt, daß die Preise für Kurzparken teurer geworden sind und die Kurzparkzonen auf die äußeren Bezirke Wiens ausgeweitet wurden. Doch während manch Autofahrer schäumt, zeigt sich Blum smart. Ziel der Agentur sei es „ja zu zeigen, daß der Radverkehr in Wien wichtig ist“.

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