© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/11 / 30. September 2011

Wenn aus EFSF-Bürgschaften Zahlungen werden
Hochstapler im Bundestag
Bernd Noske

Wenn der Bundespräsident die Ermächtigung in Höhe von mindestens 211 Milliarden Euro in Form von Garantien zugunsten der Gläubiger anderer Euro-Länder unterzeichnet, dann stehen damit über zwei Drittel eines Bundeshaushaltes zu Disposition. Mit Zinsen gerechnet geht es um bis zu 400 Milliarden.Die Bundesregierung versucht zu beschwichtigen, daß es sich bei der Erweiterung des Euro-Rettungsschirms EFSF „nur“ um Bürgschaften handelt, die deshalb nicht im Haushalt ausgewiesen werden müssen. Diese werden aber dann zu Zahlungen, wenn ein Euro-Schuldner Zinsen oder Tilgungen an die Gläubiger (meist Großbanken) nicht zahlt. Sollte der EFSF noch weiter aufgestockt werden, geriete laut Standard & Poors sogar das deutsche AAA-Rating in Gefahr.

Jeder Kaufmann weiß, daß Bürgschaften, bei denen er sich voll der Bonität eines Schuldners ausliefert, auf dessen Zahlungsmoral und Finanzgebaren er nur bedingt Einfluß nehmen kann, häufig gerade in dem Augenblick fällig werden, wenn er es am wenigsten verkraften kann und mit anderen dringenden Problemen zugedeckt ist. Er weiß, daß er damit seinen zukünftigen Finanzierungsspielraum in fataler Weise eingrenzen, jeden Handlungsspielraum verlieren und sich äußeren Einflüssen hilflos ausliefern kann.

Wenn er unter diesen Umständen auch nur auf die Idee käme, Bürgschaften in zehnfacher Höhe seines Jahresverlustes oder von mehr als zwei Drittel seines Jahresumsatzes zu unterschreiben, würde er ohne weiteres und zu Recht als Hochstapler bezeichnet und nicht mehr ernst genommen werden. Durch die Verlagerung einer solchen Entscheidung auf Hunderte Bundestagsabgeordnete ändert sich an der Qualität dieser Entscheidung nur insoweit etwas, als die Politiker für die Bürgschaften selbst nicht einzustehen brauchen und möglicherweise nicht mehr im Reichstagsgebäude sitzen, wenn sie platzen.

Wer für den EFSF stimmt, muß Rechenschaft ablegen, welche Ausgabenpositionen zukünftiger Haushalte, die gemäß der Schuldenbremse ausgeglichen sein sollen, kurzfristig um Milliardenbeträge gekürzt werden können, wenn auch nur ein Teil der Bürgschaften hochgeht. Das EFSF-Konstrukt erinnert in fataler Weise an die Milliardenverluste der politisch gelenkten Landesbanken aus der Abschreibung von „Derivaten“, deren Gewinnpotential und Risikoarmut den Entscheidungsträgern damals von interessierter Seite vermutlich ebenfalls als „alternativlos“ dargestellt wurde.

Diese „Euro-Rettung“ wäre dann der zweite Großangriff der politischen Klasse auf das deutsche Volksvermögen zugunsten der Banken, von denen man sagen muß, daß sie die Bühne mit dem Dogma eines engen Zusammenhanges zwischen der Haushaltslage einiger Euro-Mitgliedsländer und dem Wert der gemeinsamen Währung gekonnt bereitet haben. Die USA, deren Haushaltslage ständig katastrophaler wird und wo ebenfalls einzelne Bundesstaaten vor dem Konkurs stehen, haben mit dem trotz allem recht stabilen US-Dollar jedoch das Gegenteil bewiesen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen