© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/11 / 30. September 2011

Die Erbsensuppe als Kunstwerk der Avantgarde
Spanien: In San Sebastian wurde die erste Kochuniversität der Welt aus der Taufe gehoben / Ferran Adrià soll Rektor werden
Richard Stoltz

Entsetzen ergriff vor einigen Wochen die Gourmets aller Länder und Klassen, als bekannt wurde, daß der berühmte „Molekularkoch“ Ferran Adrià sein Restaurant „elBulli“ nördlich von Barcelona verläßt, „um auch mal etwas anderes zu machen“.Wieso das denn? fragten sich alle. Adrià und sein elBulli sind doch längst Weltkulturerbe, beliebtes Thema für Künstler und Politiker, was will er denn mehr?  

Aber jetzt scheint sich das Geheimnis um die Absichten Ferran Adriàs zu lüften. Soeben hat der spanische König in San Sebastian die „erste Koch-Universität der Welt“ eingeweiht, und Adrià, so munkelt man, soll ihr Rektor werden. Vom Eßtempel also zum Tempel der Wissenschaft – das wäre ein echter Karrieresprung für den Superkoch. Ob aber auch für die Wissenschaft und die Kochkunst – das steht auf einem anderen Blatt.

Adrià ist, wie gesagt, „Molekularkoch“, seine Kunden wollen nicht unbedingt satt werden und dabei gesund bleiben, sondern der Maestro soll sie mit seinen Künsten „überraschen“ und „faszinieren“. Seine Kreationen werden ja als Kunstwerke gehandelt, und zwar als „avantgardistische Kunstwerke“. Adriàs Küche ist ausdrücklich eine cocina de vanguardia, eine Küche der modernen Avantgarde, wo viel gestikuliert oder schlichtweg behauptet wird. Aber bloße Gesten und Behauptungen kann man nicht essen.

Es wirkt schon merkwürdig, daß jetzt in Spanien eine leibhaftige Universität des Kochens und Essenzubereitens aus der Taufe gehoben wird, wo man diverse Spezialfächer belegen kann und in Sachen Kochen regelrecht promoviert oder sich habilitiert. Ein Ferran Adrià als Rektor einer solchen Institution wäre jedoch der reine Horror. Wirklich gute Köche sind weder Avantgardisten noch Molekularbiologen.

Der Volksmund weiß: „Viele Köche verderben den Brei.“ Viele hochgelehrte Koch-Professoren auf einem Haufen aber brächten einen haltbaren Brei gar nicht erst zustande, weil sie selber der Brei wären. Man sollte doch lieber bei den soliden kochenden Hausfrauen bleiben, hübsch garniert mit begeisterten männlichen Hobbyköchen. Promoviert müßten die nicht unbedingt sein.

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