© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/11 / 30. September 2011

Lockerungsübungen
Politik und Menschenglück
Karl Heinzen

Die Deutschen haben sich aus ihrem Stimmungstief befreit und sind heute wieder so zufrieden wie zuletzt vor zehn Jahren. Dies ist die Botschaft des Sozioökonomischen Panels (SOEP) wie auch einer flankierenden Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie. Aufbereitet sind die erfreulichen Daten im neuen „Glücksatlas 2011“, dessen Erstellung durch die Deutsche Post ermöglicht wurde.

An Ereignissen und Entwicklungen, die die Gemüter der Bürger verdüstern konnten, war dabei im zurückliegenden Jahrzehnt wahrlich kein Mangel. Ob 9/11 oder die Agenda 2010, ob sinkender Lebensstandard oder der Zusammenbruch der Finanzmärkte, ob Fukushima oder die Euro-Krise: Nichts von alledem war gravierend genug, um die Menschen in unserem Land nachhaltig ihres Lebensmutes und ihrer Lebensfreude zu berauben.

Zwar richtet der „Glücksatlas“ seinen Blick auf die Privatsphäre der Deutschen, doch lassen sich aus ihm auch wichtige politische Schlußfolgerungen ziehen. Offenkundig haben die allermeisten Bürger nicht den Eindruck, daß ihr Gemeinwesen unaufhörlich dem Untergang entgegentreiben würde. Dies ist erstaunlich, da ihnen die Medien derartige Szenarien zu allen erdenklichen Anlässen vorgaukeln, und dies ist zugleich ermutigend, da Extremisten von rechts und links wie auch aus der Mitte mit Panikmache um ihre Stimmen buhlen. Die Wahl in Berlin hat es wieder einmal gezeigt: Wer immer nur alles schlechtredet und den Bürgern weismachen will, sie müßten sich ganz große Sorgen machen, erntet lediglich Kopfschütteln ob dieser bizarr verzerrten Wirklichkeitswahrnehmung.

Zudem müssen die Politiker, und hier nicht bloß die extremistischen Amateure, sondern auch die etablierten Profis, akzeptieren, daß ihr Metier für die Menschen gar nicht so wichtig ist. Was deren Glück ausmacht, sind Gesundheit, eine zufriedenstellende Partnerschaft und ein netter Freundeskreis. Auf all dies hat die Politik keinen Einfluß. Allenfalls vom lieben, guten Geld, das die Menschen ausgeben, kann sie ihnen etwas mehr nehmen oder etwas mehr geben, aber das ist diesen gar nicht so wichtig, wie man gemeinhin annimmt. Was als Ohnmacht der Politik erscheint, schafft ihr jedoch ungeahnte Freiräume. Sie kann anstellen, was sie nur will. Das Glück der Menschen schmälert sie nicht.

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