© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/11 / 30. September 2011

Im Dienste der Informationen
Presse im Clinch mit dem Bundesnachrichtendienst
Wolfgang Kaufmann

Ende 2005 entfachte die Journalisten- bzw. BND-Affäre einen heftigen Sturm im Wasserglas der Medienlandschaft Deutschlands. Undenkbares war geschehen: Journalisten von Qualitätsblättern wie dem Focus hatten ihr Berufsethos so weit vergessen, daß sie sich dem Bundesnachrichtendienst um den Preis allerlei nützlicher Gegenleistungen an den Hals warfen! Und der Bundesnachrichtendienst – wie jeder Geheimdienst in den Demokratien des Westens die Gesetzestreue in Reinkultur – hatte diese Kollaborationsbereitschaft ausgenutzt, um Kollegen der Plaudertaschen auf illegale Weise auszuforschen.

Dabei ging es dem BND in erster Linie darum, Eigensicherung zu betreiben und interne Informationslecks ausfindig zu machen. Ein Rest der seinerzeitigen naiven Empörung ob dieses Geschehens findet sich auch in der Fallanalyse des Linguisten und Journalisten Alexander Linden. Andererseits indes fehlen plakative Wertungen.

Statt dessen versucht der Autor die Frage zu beantworten, wie deutsche Mainstream-Medien argumentieren, wenn Journalisten zugleich Opfer und Täter sind. Die Antwort hierauf ist ebenso simpel wie eindeutig: „Wenn Journalisten Opfer und Täter gleichzeitig sind, sind sie unfähig, genau die Reinigungsrituale selbst anzuwenden, die sie von anderen im Falle von Verfehlungen verlangen. (...) Wenn Journalisten Opfer und Täter gleichzeitig sind, sind immer die anderen die Täter.“

Daß die Medien mit dieser Schuldzuweisungsstrategie Erfolg hatten, lag laut Linden an der ebenso inszenierten wie ritualisierten Sprachlosigkeit des BND. Der tat nämlich stilsicher das, was Geheimdienste immer zu tun pflegen, wenn sie auffliegen: er verweigerte zunächst jeden Kommentar und übte sich dann in der Kunst der Produktion von nichtssagenden Sprechblasen, wodurch die wortgewandt donnernde Gegenseite natürlich leichtes Spiel hatte. Ob sie damit allerdings auch dauerhaft zum Gewinner wurde, sei dahingestellt. Schließlich wirkt das Fazit der offiziellen BND-Stellungnahme zu der Affäre, mit der Lindens Buch wohl nicht ganz zufällig schließt, mehr wie eine verklausuliert-höhnische Ankündigung weiterer Aktivitäten als eine zerknirschte Entschuldigung oder gar Unterlassungserklärung.

Alexander Linden: Die Guten, die Bösen und die Eitlen. Wie der BND die Journalisten verführte. Tectum Verlag, Marburg 2010, broschiert, 480 Seiten, 29,90 Euro

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