© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/11 / 07. Oktober 2011

CD: Neofolk
Vergeltung für Verlorenes
Nils Wegner

Das junge Münchner Projekt „Spreu & Weizen“ hat es wahrlich nicht leicht. Ende Juni dieses Jahres wurde der angestrebte erste Liveauftritt in Salzburg von Seiten des Clubbetreibers abgesagt. Als nur kurze Zeit später der Gitarrist die Band verließ, schien das Erscheinen ihres zweiten Albums fraglich. Nun ist es bei dem ebenfalls noch jungen Neofolk-Label „Lichterklang“ doch noch erschienen und heißt „Gott vergelt’s!“ Nicht nur ist hier eine bayrische Variation des „Dankeschön“ gemeint, sondern auch eine implizite Aufforderung zur Vergeltung steckt dahinter: Vergeltung für den Untergang des Römischen Reiches und seiner antiken Glorie. Dennoch wohnt dem Album ein militant christlicher Aspekt inne.

Den Anfang macht das verhaltene „Căpitanul“, im Titel bereits ein Verweis auf den Führer der rumänischen „Eisernen Garde“, Corneliu Codreanu. Der wie ein Mantra wiederholte Spruch „Wann, wenn nicht jetzt? Und wer, wenn nicht Du?“ ist nicht nur ein Aufruf zum Kampf für die verlorene Herrlichkeit, sondern auch eine Gemahnung an den Hörer, sich auf das Hörerlebnis Spreu & Weizen einzulassen.

Im sich nahtlos anschließenden, pompösen „Deus lo vult“ kommt der verstorbene Renegatenpfarrer Hans Milch zu Wort, dessen berüchtigte, in der Neofolkszene vor allem durch die Gruppe Von Thronstahl bekanntgewordene Predigten stets von einer Geißelung des Zeitgeistes lebten. So ist auch hier vom „drohenden Untergang Europas“ die Rede.

Dennoch scheint nach dieser unheilvollen Verheißung gemäß dem nächsten Lied, „Madre di Salvezza“, noch Rettung möglich. Dieses lebt ausschließlich von der Zusammenarbeit mit der italienischen Band „Rose Rovine E Amanti“, die mit Gitarrenklängen, einer Trompetenmelodie und vor allem der bekannten Stimme Damiano Mercuris für mediterranes Flair und etwas Wärme im ansonsten recht sterilen Samplegewitter des Albums sorgt

Nach dem in jeder Hinsicht vernachlässigbaren „Lady in White“ verbindet „Europa der Freiheit“ die etwas bemüht gereimte Forderung nach einem neuen europäischen Zusammenleben in Gott mit einer Anrufung des Erzengels Michael. Hier wird wieder eine Brücke geschlagen zur „Eisernen Garde“, vormals „Legion des Erzengels Michael“; damals wie heute steht St. Michael in einem eschatologischen Kontext für die endgültige Bezwingung des Satans und damit des Bösen, Niederträchtigen in der Welt.

„Alles Licht“ fordert vor dem Hintergrund einer Silvesteransprache Hindenburgs dazu auf, den Blick von den Toten abzuwenden und sich mit Liebe und Lebensmut der Zukunft zuzuwenden. Im folgenden „Rome’s Calling“ wird dann auch klar, wie diese Zukunft aussehen soll. Es geht um die Rückkehr zu verlorener Größe; dementsprechend kommt das Lied wuchtig und aufpeitschend daher.

Das letzte Drittel des Albums verdeutlicht den Traumcharakter des Hoffens auf eine zweite Renaissance. Die Trakl-Vertonung „Gesänge zur Nacht“ zeugt ebenso davon wie das sphärische „Dreams of Rome“.

Man hört viel Kreativität und Innovation aus den Stücken heraus. Sicher wird das Potential dieses Projekts zum Tragen kommen, wenn man künftig davon absieht, sich allzuoft selbst zu kopieren. Weiter so!

Spreu & Weizen: Gott Erhalt’s Lichterklang 2011 www.neofolk.de

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