© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/11 / 07. Oktober 2011

Umwelt
Unsichtbare Gefahren
Michael Howanietz

Künstliche Nanopartikel kann man weder sehen noch schmecken, sie sind hundertmal kleiner als Viren und weitgehend unerforscht – aber bereits allgegenwärtig (JF 40/11). Man findet sie in Sonnencreme und Autolacken, in Heimelektronik genauso wie in Krankenhäusern. Ein aktuelles Sondergutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) empfiehlt daher, die evidenten Gefahren zu untersuchen und im Bedarfsfall gesetzgeberisch aktiv zu werden. Einige Nanomaterialien seien äußerst langlebig, andere, wie Kohlenstoffnanoröhrchen, verhielten sich wie Asbest, heißt es in den SRU-„Vorsorgestrategien für Nanomaterialien“. Wieder andere lösten Entzündungsreaktionen aus, die letztlich zu Krebs führen könnten. Auch die beispielsweise in Sprühdosen verwandten Silber-Nanopartikel gäben Anlaß zur Besorgnis. „Das Vorsorgeprinzip muß konsequent auf Nanomaterialien angewendet werden – das ist verfassungsrechtlich geboten und politisch im Hinblick auf das Vertrauen in eine neue Technologie sinnvoll“, fordert Christian Calliess, SRU-Rechtsexperte und Jura-Professor an der FU Berlin.

Doch das geltende Stoff- und Produktrecht erlaubt staatliche Eingriffe erst, wenn der wissenschaftliche Nachweis einer Gefahr erbracht ist. Bundesumweltminister Norbert Röttgen ist allerdings mit seinem Atomausstieg und den Medienauftritten zur Euro-Rettung derzeit offenbar voll ausgelastet. Der CDU-Vize und einstige „junge Wilde“ hat lediglich im besten Funktionärsdeutsch versprochen, sich wegen der Nano-Gefahren „in den laufenden Dialog einzubringen“. Dabei wäre angesichts des SRU-Gutachtens zumindest ein Verbot von verbrauchernahen Anwendungen von Nanosilber gerechtfertigt. Auch eine Internet-Datenbank mit Konsumenteninformationen ist längst überfällig, da immer mehr nanotechnologisch aufbereitete Alltagsprodukte den Markt überschwemmen.

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