© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/11 / 21. Oktober 2011

Eric Stauffer. Der Schweizer Tausendsassa will am Sonntag in den Nationalrat einziehen
Die Bombe Stauffer
Michael Paulwitz

Zierfischimporteur, Geheimagent, Finanzhai, Umstürzler, Konkursunternehmer – es gibt wenig, was Eric Stauffer in den 47 Jahren seines Lebens nicht gewesen ist. Aktuell mischt er als Volkstribun die Westschweiz auf. Seine 2005 gegründete Protestpartei „Mouvement citoyens genevois“ (MCG), zu deutsch „Genfer Bürgerbewegung“, verfünffachte bei den letzten Gemeindewahlen im Kanton Genf ihre Mandatszahl, wurde zweitstärkste Kraft und rechnet sich gute Chancen aus, bei der Nationalratswahl am Sonntag (siehe auch Seite 8) ebenfalls ins Bundesparlament einzuziehen.

Stauffer will Ballerina auf der politischen Bühne sein und nicht „Putzfrau“ der Liberalen – so kanzelt er die Genfer SVP des von ihm ansonsten geschätzten Christoph Blocher ab. Solotänzer Stauffer stimmt in sozialen Fragen gerne mal mit den Sozialdemokraten, in der Wirtschafts-, Steuer- und Einwanderungspolitik steht er der SVP nahe.

Dort dürfte man inzwischen vor Wut in den Teppich beißen, weil man das politische Naturtalent Stauffer, der 2005 von den Liberalen zur Genfer SVP gefunden hatte, gleich wieder als angeblichen Rassisten aus der Partei gemobbt hatte. Als Retourkutsche gründeten er und der frühere Algerien-Kämpfer, Kommunist, Geschäftsmann und SVP-Politiker Georges Letellier das MCG, das anfangs noch „Genfer Blocher-Bewegung“ hieß.

Dabei hätte man wissen können, daß ein Eric Stauffer nicht lange fackelt, wenn man ihm auf die Füße tritt. Seine Firma für Zierfischimport hatte er mit Mitte Zwanzig schon zur Nummer eins in Europa gemacht. Dennoch gab er wegen der miserablen Zahlungsmoral seiner italienischen Kunden schließlich auf. Stauffer verlegte sich auf Offshore-Finanzgeschäfte, zog nach Mauritius, wo er einem Geschäftsfreund zum Amt des Vizepremiers verhalf. Kurz darauf löste er jedoch eine Staatskrise aus, als er dessen Selbstbereicherung publik machte. Die „Bombe Stauffer“, wie ihn die Presse nannte, mußte die Insel fluchtartig verlassen, die Regierung stürzte und die neuen Machthaber verliehen Stauffer zum Dank die Ehrenbürgerwürde.

Zurück in Europa deckte die Zeitung Tribune de Genève 2008 auf, daß Stauffer nun nebenher als Agent für das Schweizer Militär arbeitete – Auftrag: russische Atomschmuggelringe zu infiltrieren. Eine private Fehlinvestition in eine bankrotte Firma brachte ihn jedoch in Untersuchungshaft – die Erfahrung, „für nichts“ eingesperrt zu sein, schärfte Stauffers freiheitlichen Impetus.

Nun zieht der „Wirbelsturm über Genf“ (Weltwoche) gegen Grenzgänger, Kriminelle und Drogendealer zu Felde, aber auch gegen Mietwucher. Stauffer spielt auf der Medienklaviatur so sicher wie auf der Volksseele; er deckt Skandale auf und führt den Protest auf der Straße. „Ich bin nicht Populist, sondern populär“, pariert er den Standardvorwurf. Man ist gespannt, für wie viele Überraschungen er noch gut ist.

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