© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/11 / 28. Oktober 2011

Schlappe für die Altparteien
Nationalratswahl Schweiz: Trotz Verlusten bleibt die rechtsbürgerliche SVP stärkste Kraft / Kampf um Bundesräte weiz: Trotz Verlusten bleibt die rechtsbürgerliche SVP stärkste Kraft / Kampf um Bundesräte
Curd-Thorsten Weick

Für die einen ist es eine Niederlage für die anderen ein Sieg. Sicher, die letzten Umfragen vor der Nationalratswahl deuteten darauf hin, daß die rechtsbürgerliche Schweizerische Volkspartei (SVP) die 30 Prozent knacken könnte. Doch schon lange hatte man von Parteichef Toni Brunner und Alt-Bundesrat Christoph Blocher die Rekordmarke nicht als Hauptziel vernommen. Hauptsache, der Vorsprung vor den Hauptkonkurrenten bleibt bestehen.

Am Wahlabend machten die Eidgenossen allen Umfragen einen Strich durch die Rechnung. Die SVP erzielte 26,6 Prozent und mußte ein Minus von 2,3 Prozent verdauen. Doch da auch die Sozialisten (SP; -0,8 Prozent), die Christdemokraten (CVP; -2,2 Prozent), die Freisinnigen (FDP; -2,6) sowie die Grünen (GPS; -1,2) Federn lassen mußten, wog der Verlust nicht so schwer. Entsprechend beschwichtigte Christoph Blocher, der die Partei in den letzten Jahren von Erfolg zu Erfolg geführt hatte, noch am Wahlabend: „Ich habe schon vor Wochen gesagt, daß wir dieses Resultat nicht erreichen werden.“

Obwohl die SVP erneut zur stärksten Partei des Landes gewählt wurde, wirkten Blocher und Brunner nicht wie die großen Sieger. Vor allem Blocher hat schwere Niederlagen zu verdauen. Nicht nur daß seine erfolgsverwöhnte SVP erstmals ein Minus einfuhr, macht ihm zu schaffen. Auch die Niederlage bei der Ständeratswahl im Kanton Zürich, bei der der 71jährige nur den dritten Platz belegte, und die Tatsache, bei den Nationalratswahlen von der smarten 35jährigen SVP-Politikerin Natalie Rickli um gut 6.000 Stimmen vom ersten Platz verdrängt worden zu sein, schmerzt. Süffisant titelte der Tagesanzeiger: „Der Glanz von Messias Blocher verblaßt“.

Doch auch die Vertreter der großen Volksparteien blickten in der Elefantenrunde ungläubig auf die Monitore mit den Hochrechnungen. Vor allem zwei neue Parteien stahlen den Altparteien die Show. Die von der SVP abgespaltene linksbürgerliche BDP erzielte aus dem Stand 5,4 Prozent und zieht mit neun in den Nationalrat ein. Auch die von den linken Grünen (GPS) abgespaltene Grünliberale Partei gewann hinzu und verfügt nun über zwölf Mandate. Den Rest an Sitzen teilen sich die rechte Lega im Tessin, die zwei Sitze errang, die vom Ex-SVP-Rebellen Eric Stauffer (JF 43/11) gegründeten Protestpartei Mouvement Citoyens Genevois/Mouvement Citoyens Romand (MCG/MCR) errang überraschend einen Sitz. Ebenso die Christsoziale Partei (CSP) und die Evangelische Volkspartei (EVP).

Doch fern der Sitzverteilung, die der SP aufgrund eines kantonalen Verhältniswahlrechts, trotz Stimmverlustes drei Mandate gutschrieb, gibt es nach der Wahl nur ein Thema: Regierungsbildung. Da die SVP als Wahlsieger darauf beharrt, zwei Bundesräte zu stellen, blicken alle auf den 14. Dezember. Dann werden die Bundesräte gewählt.

Bis dahin übt sich SVP-Chef Brunner in Optimismus. Und auch SVP-Politiker Oskar Freysinger, der sein Nationalratsmandat im Kanton Wallis erfolgreich verteidigen konnte, zeigt gegenüber der JUNGEN FREIHEIT eine kämpferische SVP. Letztlich habe sich für seine Partei „nicht viel geändert“, denn alle Traditionsparteien hätten aufgrund des Erfolgs zweier neuer Jungparteien Prozente verloren. Doch prognostizierte er, daß sich der Trend in vier Jahren in die entgegengesetzte Richtung wenden werde, da sich das „zerfaserte Zentrum in Querelen“ verlieren werde.

Letztlich gehe es, so Freysinger, für die SVP in den nächsten Monaten darum, ihre politischen Ziele durchzusetzen. An erster Stelle nennt er, daß der „Volkswille durchgesetzt und die Ausschaffung der kriminellen Ausländer ohne Wenn und Aber“ durchgeführt werden müssen. Dann gehe es darum, einen Rahmenvertrag mit der EU zu verhindern, da die „automatische Übernahme von EU-Recht die direkte Demokratie und die Selbstbestimmung aushebelt“. Parallel dazu stehe die Abstimmung über die Wahl der Regierung durch das Volk auf dem SVP-Plan sowie die „Neuverhandlung der Personenfreizügigkeit“, damit die Schweiz wieder „souverän über die Einwanderung bestimmt“ werden könne.

Foto: Elefantenrunde der Spitzenkandidaten im Schweizer Fernsehen SRF: Martin Bäumle (Grünliberale), Ueli Leuenberger (Grüne Partei), Christian Levrat (Sozialdemokraten), Moderatorin Sonja Hasler, Toni Brunner (Schweizerische Volkspartei), Fulvio Pelli (FDP), Ida Glanzmann (Christdemokraten) und Hans Grunder (Bürgerlich Demokratische Partei) (v.l.n.r.)

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