© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/11 / 28. Oktober 2011

„Ich schäme mich, dort zu wohnen“
Bewegung in Debatte um Rostocker Ehrenburg-Straße
Ronald Gläser

Ilja Ehrenburg hat als Chefpropagandist der Roten Armee immer wieder Soldaten aufgehetzt und zu Verbrechen gegen die deutsche Zivilbevölkerung aufgestachelt. Einer seiner Aufrufe lautete: „Die Deutschen sind keine Menschen. Wenn du nicht im Laufe eines Tages wenigstens einen Deutschen getötet hast, so ist es für dich ein verlorener Tag gewesen.“

Die Befürworter der Ilja-Ehrenburg-Straße in Rostock hingegen behaupten gebetsmühlenartig, solche Zitate seien Goebbels-Propaganda, vom Westen übernommen in der Zeit des Kalten Krieges. Festgefahren stehen sich in der Hansestadt auch zwei Jahrzehnte nach der Wende noch immer zwei Fronten von Freunden und Feinden des jüdischen Schriftstellers gegenüber. Da die politische Linke das Geschehen in Rostock seit jeher dominiert, war eine Mehrheit für eine Änderung des Straßennamens noch nie in Sicht.

Jetzt ist durch das Buch von Fred Mrotzek Bewegung in die Sache geraten. Der Rostocker Historiker hat den FDP-Politiker und Staatsrechtler Ingo von Münch („Frau, komm“) für einen Aufsatz zu dem Thema gewinnen können, der das Kernstück von „Ilja Ehrenburg – Töte!“ bildet.

Diese umfangreiche Dokumentation versucht, allen Seiten gerecht zu werden und läßt linke wie rechte Positionen zu Wort kommen. So war auch die Buchvorstellung in Rostock am Donnerstag vergangener Woche angelegt. Die große Überraschung: Die Ehrenburg-Anhänger standen dort auf völlig verlorenem Posten. Nur ein paar Alte verteidigten den vom Rest der Stadt als Provokation wahrgenommenen Straßennamen.

Ein Geschichtslehrer beschuldigte die Ehrenburg-Befürworterin Cornelia Mannewitz: „Sie lügen.“ Er würde seinen Schülern das rotgefärbte Geschichtsbild schon lange nicht mehr vermitteln. Die Verbrechen der Roten Armee – allein in Mecklenburg gab es neben wilkürlichen Tötungen und Alkoholexzessen mindestens 100.000 Vergewaltigungen – dürften keine Nebenrolle mehr spielen.

Ein anderer Rostocker, der eine Eigentumswohnung in der umstrittenen Straße besitzt und nur deshalb nicht wegzieht, sagte: „Ich schäme mich, dort zu wohnen.“ Er berichtete von den Vergewaltigungsorgien, die seine Mutter 1945 habe über sich ergehen lassen müssen. Zeit ihres Lebens habe sie darunter gelitten.

Fred Mrotzek: Ilja Ehrenburg – „Töte!“, 256 Seiten, broschiert, 15 Euro eszet-verlag@web.de

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