© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/11 / 04. November 2011

Akademische Heckenschützen
Trier: Universität entläßt nach Protesten den Militärhistoriker Martin van Creveld
Werner Becker

Der Fall hat alles, was ein zünftiger Wissenschaftsskandal braucht: Einen renommierten, aber unbequemen Wissenschaftler, eine kleine, aber lautstarke Gruppe von protestierenden Studenten und eine Universitätsleitung, die beim Versuch, sich aus der Schußlinie zu nehmen, den Weg des geringsten Widerstandes geht.

Die Universität Trier hat in der vergangenen Woche überraschend ihren Vertrag mit dem Militärhistoriker Martin van Creveld aufgelöst (siehe Interview auf dieser Seite). Der 65 Jahre alte Israeli war Gastprofessor am Historisch-Kulturwissenschaftliche Zentrum (HKFZ) der Universität. Der Streit hatte sich an einem Vortrag van Crevelds zum Thema „Männer, Frauen, Kriegsspiele und Kultur“ entzündet. Darin habe er ausgeführt, so die Kritik linker studentischer Gruppen, daß viele Frauen es genießen würden, Männern dabei zuzusehen, „wie sie sich gegenseitig abschlachten“.

In einem offenen Brief diffamierten die Kritiker van Creveld daraufhin als „frauenfeindlich, militaristisch, latent antiisraelisch, nicht zuletzt vulgärwissenschaftlich und methodisch primitiv“. Ferner wurde kritisiert, daß van Creveld häufig in der JUNGEN FREIHEIT Beiträge veröffentlicht habe. Zu den Erstunterzeichnern des Briefes gehörten neben dem Allgemeinen Studentenausschuß (AStA) der Hochschule Vertreter von Gewerkschaften, Linkspartei, Jusos und der Grünen.

Die Universitätsleitung ließ sich von den Protesten beeindrucken. In der vergangenen Woche löste sie den Vertrag mit van Creveld auf und sagte alle geplanten weiteren Vorträge ab. Der Protest gegen den renommierten israelischen Wissenschaftler traf die Verantwortlichen ganz offensichtlich völlig unvorbereitet. Noch Stunden nach der Aufkündigung der Zusammenarbeit hieß es auf der Internetseite der Universität, van Creveld sei ein Wissenschaftler, „den man mit Recht als Koryphäe bezeichnen darf“. Auch war der Universität bekannt, daß seine Ansichten „nicht selten provokant und mit einer gewissen Vorliebe für herausfordernde Zuspitzungen“ sind. Doch davon will der Dekan des HKFZ, Ulrich Port, nun nichts gewußt haben.

„Wir kannten diese Thesen nicht“, zitiert ihn der Trierer Volksfreund. Universitätspräsident Michael Jäckel warf van Creveld vor, dieser habe seinen Vortrag für die Darstellung von Thesen verwendet, „die sich aufgrund ihres Inhalts einer sachlichen Diskussion entziehen“. Die Universitätsleitung bedauere sehr, daß es zu einer solchen Auslegung der Einladung durch van Creveld gekommen sei, heißt es in Jäckels Stellungnahme weiter.

Doch mittlerweile regt sich an der Universität Kritik am Umgang mit dem Gastprofessor. In einem offenen Brief kritisiert der Trierer Politikwissenschaftler Martin Wagener die Entscheidung der Universität, sich von van Creveld zu trennen. Gleichzeitig hielt er Jäckel sowie dem geschäftsführenden Leiter des HKFZ, Martin Przybilski, vor, im Gegensatz zu ihm während des kritisierten Vortrags gar nicht anwesend gewesen zu sein. Er dagegen habe die Äußerungen des Militärhistorikers als sachlich empfunden. Der Aussage des Vorstandes des HKFZ, wären die „Ausführungen von Herrn van Creveld über das vermeintlich ‘bevorzugte Geschlecht’ der Frauen, insbesondere sein gleichnamiges Buch, bekannt“ gewesen, hätte man auf seine Einladung verzichtet, hielt Wagener entgegen, daß viele, die sich nun empörten, während des Vortrags nicht den Schneid besessen hätten, van Creveld argumentativ entgegenzutreten. Die Beschwerde der Trierer Studentenschaft weise inhaltlich eine sehr einseitige Stoßrichtung auf und trage einen klaren ideologischen Farbanstrich. Es sei zudem wenig beeindruckend, „sich im Nachgang als akademischer Heckenschütze zu betätigen“. Van Creveld als antiisraelisch und militaristisch zu bezeichnen, sei zudem „absurd“.

Der Politikwissenschaftler plädierte angesichts der Auseinandersetzung um van Creveld dafür, mehr Toleranz für Andersdenkende zu wagen und auf abweichende Meinungen mit mehr Gelassenheit zu reagieren. Schließlich sollten sich die universitären Umgangsformen doch ein wenig von dem unterscheiden, was in deutschen Talkshows zelebriert werde. Kritik am Umgang äußerte auch der frühere Universitätspräsident Jörg Hasler. „Gerade eine Universität muß doch ein Forum sein, in dem auch über kontroverse Thesen offen diskutiert werden darf“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. Man dürfe sich zudem nicht vom AStA vorschreiben lassen, wer an der Universität als Gastprofessor Vorträge halten könne und wer nicht.

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